Nacht der Versuchung
wesentlich femininer und verspielter mit üppig blühenden Stauden und sanft plätschernden Brunnen gestaltet war. Rings um diesen Hof waren mehrere luxuriös ausgestattete Schlafzimmer angeordnet, jeweils mit eigenem Bad und Ankleidezimmer, dazu ein Speisezimmer und ein Salon. Letztere waren elegant und geschmackvoll mit antiken französischen Möbeln eingerichtet, was bestimmt das Werk von Xaviers französischer Großmutter gewesen war. In den Regalen zu beiden Seiten des Kamins entdeckte Mariella die Bücher einiger berühmter französischer Autoren.
„Scheich Xavier meinte, Sie würden das Baby gern in einem Zimmer neben Ihrem untergebracht haben“, sagte Hera. „Sie haben die freie Wahl, welches der Zimmer Sie für sich nutzen wollen …“
Mariella war versucht zu antworten, dass sie am liebsten keines der Zimmer benutzt hätte und mit Fleur auf der Stelle wieder abgereist wäre. Aber sie hielt sich zurück. Es wäre unfair gewesen, ihren Zorn an Hera auszulassen. Das Mädchen traf schließlich keine Schuld. Mariella folgte also der dezenten Aufforderung und sah sich die vier Schlafzimmer noch einmal genauer an. Eines war ähnlich wie das Speisezimmer und der Salon mit Antiquitäten aus der Zeit Louis XV eingerichtet. Es hatte offenbar Xaviers Großmutter gehört und kam für Mariella auf Anhieb nicht infrage. Stattdessen wählte sie aus den anderen drei das schlichteste aus, in kühlen Pastelltönen und mit schnörkellosen Möbeln eingerichtet. Es besaß einen eigenen Zugang zum Garten, wo in unmittelbarer Nähe eine schattige Bank am Rand eines Springbrunnens zum Verweilen einlud.
„Dieses Zimmer?“ fragte Hera vorsichtig und lächelte, als Mariella nickte. „Das wird Scheich Xavier freuen. Es war das Zimmer seiner Mutter.“
Das Zimmer seiner Mutter! Doch nun war es zu spät, die Entscheidung rückgängig zu machen. „Welcher … Nationalität war sie?“ erkundigte sich Mariella unwillkürlich.
„Sie war eine Angehörige des Stammes. Scheich Xaviers Vater lernte sie kennen, als er mit dem Stamm wanderte, und verliebte sich in sie“, antwortete Hera bereitwillig.
Fleur fing an zu quengeln, weil sie hungrig war, und erinnerte Mariella nachdrücklich daran, dass sie sich besser mit ihrer kleinen Nichte beschäftigte als mit Scheich Xaviers familiärem Hintergrund.
8. KAPITEL
Frustriert blickte Mariella auf ihr Handy. Seit ihrer Ankunft in der Villa hatte sie mehrfach versucht, Tanya zu erreichen, aber ihre Schwester hatte immer noch die Mailbox eingeschaltet. Mariella hatte eine Nachricht hinterlassen, dass sie jetzt mit Fleur in Scheich Xaviers Villa wohne, und Tanya gebeten, sie entweder in der Villa oder auf ihrem, Mariellas, Handy anzurufen. Besorgt fiel ihr plötzlich auf, dass sie tatsächlich schon einige Tage nicht mehr mit Tanya gesprochen hatte. Was, wenn ihrer Schwester etwas zugestoßen war? Wenn sie krank war oder sich womöglich bei einem Unfall verletzt hatte?
Kurz entschlossen begann Mariella zu telefonieren. Es war nicht ganz einfach, die Telefonnummer des Unterhaltungsdirektors des Kreuzfahrtschiffes herauszubekommen, auf dem ihre Schwester engagiert war, aber schließlich hatte sie es geschafft.
„Verzeihung, wer spricht da bitte?“ vergewisserte sich der Mann am anderen Ende der Leitung, als Mariella nach Tanya fragte und erklärte, sie habe schon mehrfach vergeblich versucht, sie über ihr Handy zu erreichen.
„Ich bin Tanyas Schwester.“
„Ich verstehe … Nun, dann muss ich Ihnen leider mitteilen, dass Ihre Schwester unser Schiff verlassen hat.“
„Verlassen?“ wiederholte Mariella entgeistert. „Aber …? Warum?“
„Es tut mir Leid, aber mehr kann ich Ihnen auch nicht sagen. Ich weiß nur, dass Tanya auf eigenen Wunsch und ganz unvermittelt von Bord gegangen ist.“
Mariella konnte hören, dass er über Tanyas Verhaltensweise keineswegs erfreut war. Sie bedankte sich für die Auskunft und beendete das Gespräch. Nachdenklich sah sie erst einmal nach Fleur, die friedlich in ihrem neuen Bettchen schlief. Xavier hatte in kürzester Zeit von einem Babyausstattungsgeschäft alles liefern lassen, was ein Baby so brauchte … und die Sachen waren natürlich viel teurer und exklusiver, als sie, Mariella, und Tanya es sich je hätten leisten können.
Tanya! Wo war ihre Schwester? Warum hatte sie das Schiff verlassen? Und warum reagierte sie nicht auf ihre Anrufe?
Mariella machte sich ernsthaft Sorgen. Denn bei aller Impulsivität und auch Oberflächlichkeit
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