Nacht der Versuchung
liebte Tanya ihre kleine Fleur aufrichtig. Eigentlich war es undenkbar, dass sie sich tagelang nicht meldete und nach ihrer Tochter erkundigte. Sie, Mariella, hätte vermutlich jede Stunde angerufen … oder sich erst gar nicht von dem Baby getrennt. Aber die arme Tanya hatte doch keine andere Wahl gehabt. Ihr Wunsch, es ganz allein zu schaffen, war schließlich verständlich.
Liebevoll betrachtete Mariella ihre schlafende Nichte. Immer stärker regte sich in ihr der Wunsch nach einem eigenen Kind. Als sie sich geschworen hatte, keinen Mann so nah an sich heranzulassen, dass er sie verletzen könnte, hatte sie dieses Problem nicht bedacht.
Xavier ging nachdenklich in seinem Arbeitszimmer auf und ab. Sein Schreibtisch war mit Faxnachrichten übersät, deren Inhalt unter dem Strich immer das Gleiche besagte: Sein Cousin war nirgendwo aufgetaucht, wo er sich normalerweise gern die Zeit vertrieb. Wo, in aller Welt, steckte Khalid?
Allmählich hegte Xavier den Verdacht, dass sein Cousin hinsichtlich seiner Vaterschaft bewusst vage gewesen war. Um Fleur und ihre Mutter zu beschützen oder um sich vor seiner Verantwortung zu drücken? Khalid musste ihn, Xavier, doch gut genug kennen, um zu wissen, dass er, wenn nötig, persönlich für eine angemessene finanzielle Regelung für Mutter und Kind gesorgt hätte, selbst wenn es ihm nicht möglich wäre, Fleurs Mutter zu akzeptieren. Natürlich wusste Khalid das, weshalb er ihm inzwischen ja auch mitgeteilt hatte, dass er tatsächlich Fleurs Vater sei!
Es ärgerte Xavier, dass er sich in der Annahme, Mariella wäre Fleurs Mutter, geirrt hatte. Und die Erkundigungen, die der Prinz über sie eingezogen hatte, hatten ihm dann nochmals vor Augen geführt, wie gründlich er sich geirrt hatte. Mariella war eine selbstständige junge Frau, die es nicht nur geschafft hatte, auf eigenen Füßen zu stehen, sondern auch die Verantwortung auf sich nahm, ihre jüngere Halbschwester und deren Baby zu unterstützen. Es hatte sich nicht ein einziger Hinweis finden lassen, dass Mariella nicht stets ein moralisch untadeliges Leben geführt hätte. Jeder, der je mit ihr zu tun gehabt hatte, sprach von ihr voller Bewunderung und Anerkennung.
Und dennoch hatte er, der sich einbildete, eine gute Menschenkenntnis zu besitzen, das alles nicht bemerkt! Schön, sie hatte es bewusst darauf angelegt, ihn zu täuschen, aber … aber er hatte sich ihr gegenüber in einer Weise verhalten, für die er jeden anderen Mann verachtet hätte. Es gab keine Entschuldigung für sein Benehmen … zumal ihm sein vorgeschobener Wunsch, Khalid zu beschützen, selber immer unglaubwürdiger vorkam. Sein Cousin war der Letzte gewesen, an den er gedacht hatte, als er mit Mariella hatte schlafen wollen. Er war verrückt nach ihr gewesen, überwältigt von einem unbändigen leidenschaftlichen Verlangen.
Nein, Xavier fand keine vernünftige Erklärung oder Entschuldigung für sein Verhalten. Er wurde von Schuldgefühlen geplagt, vor allem, weil er Mariella jetzt praktisch auch noch gezwungen hatte, in seinem Haus zu wohnen.
Natürlich musste er sich ganz förmlich und offiziell bei ihr entschuldigen. Sie war eine Frau, die bewiesen hatte, wie stark ihr Pflicht- und Verantwortungsgefühl war. Eine Frau, bei der ein Mann sicher sein konnte, dass sie den gemeinsamen Kindern eine liebevolle, fürsorgliche Mutter sein würde … Xavier rief sich energisch ins Gedächtnis, dass er sich geschworen hatte, lieber nicht zu heiraten, als das Risiko einer gescheiterten Beziehung einzugehen. Andererseits … war es nicht besser, Mariella den Schutz seines Namens durch eine Heirat anzubieten, anstatt zu riskieren, dass ihr Ruf Schaden nehmen könnte?
Xavier rief sich ärgerlich zur Ordnung. Er hatte bereits ausreichend für den Schutz ihres Rufes gesorgt, indem er ihr seine Großtante als Anstandsdame an die Seite stellte! Allmählich konnte man ja den Eindruck gewinnen, er wolle Mariella heiraten … er sei darauf aus, sie wieder in sein Bett zu holen und zu Ende zu führen, was er begonnen hatte! Wütend drehte er sich um, als das Rattern des Faxgerätes ihn aus seinen viel zu erotischen Gedanken riss.
„Voilà!
Xavier hat mich als Ihre Anstandsdame bestimmt, und ich werde Sie also in den Palast begleiten und Ihnen dort Gesellschaft leisten, während Sie für Seine Hoheit Bilder malen,
non
?“
„Nun, nicht ganz“, antwortete Mariella lächelnd. Es war einfach unmöglich, Madame Cecille Flavel nicht zu mögen. Die lebhafte alte
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