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Nacht der Wahrheit

Nacht der Wahrheit

Titel: Nacht der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Knip
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Priester drehten sich um, sobald die Gruppe an ihnen vorbei die Treppe nach oben emporstieg, und schlugen ihre Handflächen gegeneinander. Talon zuckte zusammen. Das klirrende Geräusch kleiner metallener Zimbeln erfüllte den Platz. Gleichmäßig schlugen die Männer das einfache Musikinstrument im Takt, während sie die junge Frau in den Tempel begleiteten.
    Es war ein unwirkliches Bild, das sich dem Mann aus dem Dschungel bot. Solche Szenen hatte er früher als kleiner Junge in altertümlichen Filmen gesehen, voller Faszination für eine längst vergangene Zeit …
    Die schwere Hand Nefers riss ihn abermals aus seinen Gedanken.
    „Komm“, sagte dieser nur und schob Talon gleichzeitig in die gewünschte Richtung. Sie führte links am Haupteingang des Tempels vorbei in einen Seitenweg, der durch die wenigen Pechfackeln nur spärlich erhellt war.
    Talon wurde von einem halben Dutzend Männer flankiert, die in deutlich schwererer Montur gepanzert waren als jene, die er heute auf der Suche nach Nayla begleitet hatte. Neben dem Speer mit der sichelförmigen Klinge trugen sie alle ein Kurzschwert kampfbereit in der Hand. An eine Flucht brauchte er unter diesen Umständen nicht zu denken. Wütend knirschte er mit den Zähnen.
    „Wohin bringt ihr mich?“, richtete er seine Frage an den Hauptmann, ohne ihn anzusehen. „Oder wollt ihr mich einfach umbringen? Jetzt, da ihr das Mädchen habt, bin ich für euch nicht mehr von Bedeutung, richtig?“
    Er konnte das Gesicht des Ägypters in der Dunkelheit kaum noch erkennen. Nur vereinzelt blitzten schmückende Teile der Rüstung im Lichtschein auf.
    „Es ist nicht an uns, über dein Leben zu entscheiden“, ließ sich Nefer mit der Antwort Zeit. „Für heute nehmen wir dich in Gewahrsam. Der Rest wird sich zeigen.“ Es blieb bei dieser knappen Aussage. Keiner der Männer sprach noch ein Wort. Das dumpfe Geräusch der Sandalen auf festgetretenem Boden war das einzige, was die Männer auf ihrem Weg in einen abgelegenen Bereich des Tempelbezirks begleitete. Vor einem kaum erkennbaren Eingang blieben sie stehen. Er wurde durch eine mit metallenen Streben verstärkte Holztür verschlossen.
    Einer der Männer schlug mit dem Knauf seines Schwerts mehrmals gegen das Holz. Nach wenigen Augenblicken wurde von innen ein Riegel hörbar zur Seite geschoben, und die Tür öffnete sich einen Moment später mit einem leisen Knarren. Eine Wache, der die ständige Arbeit in diesen dunklen Räumen tiefe Schatten unter die Augen beigebracht hatte, stand abwartend am Eingang. Der gebeugt stehende Mann hielt in seiner Linken eine flackernde Pechfackel, von der sich immer wieder glimmende Stücke verbrannten Tuchs lösten, die zischend auf dem sandbedeckten Boden verloschen.
    Talon wurde klar, dass er hier in eine Art Verlies gebracht wurde. Dicke Mauern aus schweren, nur grob bearbeiteten Steinquadern rahmten den schmalen Gang ein, der in regelmäßigen Abständen durch massive Türen unterbrochen wurde. In einer Nische auf der linken Seite lagen auf dem Boden ein paar Essensreste auf einem Holzbrett und eine umgekippte Kalebasse, deren Inhalt eine Pfütze auf dem Sand bildete.
    Nefer erklärte der Wache mit kurzen Worten die Lage und verlangte nach einer freien Zelle. Die müde Erwiderung des Wächters, dass es davon hier mehr als genug gäbe, überging er kommentarlos. Er packte Talon am Oberarm und zog ihn mit sich. In der engen Umgebung behinderten sich die Männer bei ihren Bewegungen gegenseitig.
    Einen Moment lang wägte der Mann aus dem Dschungel seine Chancen ab. Doch der harte Druck in seiner linken Hüfte unterbrach alle Überlegungen.
    „Denk nicht einmal daran“, zischte ihm der Hauptmann zu und drückte zur Unterstreichung seiner Worte die Spitze seines Kurzschwerts schmerzhaft in Talons Haut. Voller unterdrückter Wut fixierten dessen Augen den ausdrucklosen Blick des Ägypters. Hatte er den Mann bisher noch vielleicht respektiert und als jemanden gesehen, der seine Aufgaben zu erfüllen versuchte, so betrachtete er ihn nun als Gegner. Den er, wenn nötig, töten würde …
    Sie passierten die zweite schwere Tür, als durch das dicke Holz Rufe nach außen drangen. Talon glaubte in der Stimme Senmu, den Bruder von Nayla, zu erkennen. Wenigstens hatten sie ihn bisher am Leben gelassen. Doch welches Schicksal sie ihm zugedacht hatten, war ihm genauso unklar wie sein eigenes. Er sah keinen Sinn darin, zu versuchen, mit dem Jungen Kontakt aufzunehmen. Und so überhörte er die Rufe

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