Nacht des Begehrens - Cole, K: Nacht des Begehrens
Er hatte noch nie in seinem Leben einen derart überirdisch wirkenden Anblick zu Gesicht bekommen wie den ihrer blassen Haut gegen das Blutrot ihres Nachthemds, im Schimmer des Mondes am Horizont.
Sie antwortete nicht, sondern stieß nur erschöpft die Luft aus und schwankte ein wenig.
„Sieh mich an.“ Sie folgte seinen Worten nich t – sie blickte nach unten. „Sieh mich an!“
Sie schien aufzuwachen, ihre Augenbrauen waren zusammengezogen, ihr Blick niedergeschlagen. „Ich möchte einfach nur nach Hause gehen“, sagte sie mit leiser Stimme.
„Das wirst du auch. Ich verspreche dir, du wirst nach Hause gehen.“ In dein neues Zuhause. „Du musst mir einfach nur dabei helfen, dass auch ich nach Hause gelange.“
„Wenn ich dir helfe, schwörst du dann, dass du mich gehen lässt?“
Niemals. „Ja.“
„Und du wirst mir nichts tun?“
„Nein, ich werde dir nichts tun.“
„Kannst du das wirklich versprechen? Du scheinst nicht so recht in der Lage zu sein, dic h … zu beherrschen.“
„Mit jeder Stunde habe ich mich besser unter Kontrolle.“ Ihretwegen? „Und eins weiß ich mit Gewissheit: Ich will dir nicht wehtun.“ Das wenigstens entsprach in diesem Moment der Wahrheit. Glaubte er.
„Und du wirst dies e … D-Dinge nicht wieder mit mir machen?“
„Das werde ich nicht, es sei denn, mit deiner Einwilligung.“ Er streckte ihr die Hand hin. „Sind wir uns einig?“
Sie ergriff seine Hand nicht, aber nach einigen qualvollen Augenblicken verließ sie die Brüstung mit einer seltsamen Bewegung. Sie machte einen Schritt nach unten, so als ob sie während eines Spaziergangs, ohne langsamer zu werden, vom Bordstein auf die Straße getreten wäre.
Er packte sie an den Schultern und schüttelte sie. „Tu so etwas ja nie wieder.“ Er verspürte den seltsamen Drang, den Vampir an sich zu drücken, und schob sie beiseite.
Sie blickte zu Boden. „Bestimmt nicht. Es sei denn, es wäre die bessere Alternative.“
Bei dieser Antwort sah er sie finster an. „Also, haben wir eine Abmachung?“
Als sie nickte, fragte er sich, ob sie nur deshalb zustimmte, weil er sie quasi dazu gezwungen hatte, oder ob sich dahinter mehr verbarg. Er hatte geglaubt, für einen winzigen Moment Mitgefühl in ihren Augen entdeckt zu haben, als er von seiner Gefangenschaft gesprochen hatte.
„Dann brechen wir noch heute Abend nach Schottland auf.“
Ihr Mund öffnete sich. „Ich kann nicht einfach so nach Schottland reisen! Ich wollte dir die nötigen Anweisungen geben. Oder besser gesagt, MapQuest übernimmt das“, fügte sie mit leiser Stimme hinzu. „Wie willst du denn die ganze Reise dorthin so planen, dass ich unterwegs nicht bei lebendigem Leib verbrenne?“ Offensichtlich stand sie kurz davor, in Panik auszubrechen. „Ich kann nicht so einfach losreisen. Keine Linienflüge. Keine Züge. Die Sonne …“
„Ich habe uns ein Auto besorgt. Wir werden dorthin fahren.“ Es gefiel ihm, wie lässig er das sagte. Noch vor einer Woche hätte er nicht mal gewusst, was ein verdammtes Auto war. „Wir werden rechtzeitig vor Sonnenaufgang anhalten. Ein Mann unten im Hotel hat mir alles auf der Karte gezeigt.“
„Du kannst Auto fahren? Es hat eigentlich eher so ausgesehen, als ob du noch nie im Leben ein Auto zu Gesicht bekommen hättes t … “
„Nein, ich kann nicht fahren, aber ich schätze, du kannst es.“
„Immer nur kurze Ausflüge von zu Hause aus.“
„Warst du schon mal im schottischen Hochland?“
„Äh, nei n … “
„Möchtest du denn mal dorthin?“
„Wer möchte das nicht?“
„Dann, Vampir, kommst du jetzt mit mir.“
Emma hob ihre zitternde Hand, zog eine Haarsträhne nach vorne und hielt sie sich vors Gesicht. Sie starrte fassungslos darauf.
Strähnchen. Von der Sonne .
Er hatte sie allein gelassen, damit sie duschen und sich anziehen konnte. Allein im Bad starrte sie nun auf den unübersehbaren Beweis dafür, wie knapp sie dem Tod entronnen war. Sie ließ die Haare los, schlüpfte aus ihrem Nachthemd und drehte sich vor dem Spiegel, um ihre Haut zu begutachten. Sie erschien inzwischen wieder unverletzt, hell und vollkommen unversehr t – im Gegensatz zum letzten Mal. Sie warf einen kurzen Blick auf ihren Handrücken. Übelkeit stieg in ihr auf. Freya sei Dank war die Erinnerung an ihre Verbrennung zum Glück vage wie immer.
Obwohl sie sich nicht an Einzelheiten erinnern konnte, hatte sie damals ihre Lektion gelernt und war der Sonne seither beinahe siebenundsechzig Jahre
Weitere Kostenlose Bücher