Nacht des Begehrens - Cole, K: Nacht des Begehrens
für möglich gehalten hätte.
Die Kopie der französischen Verkehrsregeln, die er im Leihwagen fand, folgte dem Handbuch, aber er überflog sie nur flüchtig und warf sie unbeeindruckt beiseite. „Einige Dinge ändern sich nicht. Auf einem Hügel zieht man immer noch die Bremse zum Parken an, ob es sich um eine Pferdekutsche handelt oder nicht“, erklärte er auf ihren Blick hin.
Seine Arroganz, seine lässige Art, Dinge abzutun, vor denen er in Ehrfurcht hätte erstarren sollen, wurmten sie. Ein Auto hätte sie zu Tode erschreckt, wenn sie als Erwachsene zum allerersten Mal in einem gesessen hätte. Anders Lachlain. Er war eindeutig zu zufrieden mit sich selbst auf ihrer Fahrt. Er fühlte sich in den Ledersitzen behaglich, untersuchte neugierig die automatischen Fensterheber und die Lüftung, schaltete sie ein und aus, hoch und runter und fummelte unaufhörlich mit seinen Riesenpranken an der deutschen Technologie herum. Wenn er so lange Zeit eingesperrt gewesen war, sollte er dann nicht ein klein wenig mehr durcheinander sein? Sollte er nicht immer noch völlig erschüttert sein? Langsam glaubte sie, dass sich seine unermessliche Arroganz durch nichts erschüttern ließ.
Na klasse, jetzt hat er den Schalter für das Schiebedach gefunden. Ihre Geduld hing an einem seidenen Faden. Au f … zu. Au f … zu. Au f …
Mit jeder Minute, die die Morgendämmerung näher rückte, wurde sie nervöser. Sie war bisher immer so vorsichtig gewesen. Auf dieser Reise nach Europa hatte sie sich zum ersten Mal tatsächlich unabhängig gefühlt, auch wenn ihr das Ganze einzig und allein aufgrund der zahlreichen Sicherheitsmaßen erlaubt worden war, die ihre Tanten getroffen hatten. Und trotzdem war Emma das Blut ausgegangen, sie war entführt und dazu gezwungen worden, in die Welt hinauszugehen ohne einen anderen Schutz gegen die Sonne als einen Kofferraum, und dabei wusste sie nicht mal genau, wohin sie unterwegs ware n …
Dennoch konnte es sein, dass all das immer noch sicherer war, als ohne ihn zu reisen. Irgendetwas war vorhin am Hotel gewesen. Möglicherweise Vampire.
Nachdem sie eingestiegen waren, hatte sie kurz überlegt, ihm zu erzählen, dass sie vielleicht in Lebensgefahr schwebte. Zwei Gründe hatten sie davon abgehalten. Erstens befürchtete sie, es nicht ertragen zu können, wenn er einfach nur mit den Schultern zuckte und ihr einen Blick zuwarf, der besagte: „Und wieso soll mich das interessieren?“ Und zweitens müsste sie ihm dann erklären, was genau sie war.
Auch die Walküren waren Feinde der Lykae, und sie würde verflucht noch mal bestimmt nicht zulassen, dass er sie als Druckmittel gegen ihre Familie benutzte. Genau genommen wollte sie überhaupt nicht, dass Lachlain irgendetwas über sie herausfand, was er gegen sie benutzen konnte. Glücklicherweise hatte sie bei ihrem Gespräch mit Regin keinerlei Schwächen preisgegeben. Schwächen wie ihre fatale Abhängigkeit von Blut. Sie konnte sich nur allzu gut vorstellen, wie er sagte: „Ich werde dir dein Blut schon besorgen“, er würde in die Hände klatschen und die Handflächen aneinanderreiben, „gleich nach dem Duschen!“ Außerdem konnte sie es die drei Tage schon noch aushalten, die sie bis Schottland brauchten. Bestimmt.
Sie schloss kurz die Augen. Aber der Hunge r … Sie war noch nie in Versuchung geraten, von einem anderen Lebewesen zu trinken, aber nun, da kein anderer Ausweg in Sicht war, begann selbst Lachlain ziemlich verlockend auszusehen. Sie wusste genau, wo sie diesen Hals anzapfen würde. Sie würde ihre Klauen in seinen Rücken schlagen, um ihn festzuhalten, während sie zur Abwechslung mal ihre Bedürfnisse befriedigt e …
„Du fährst gut.“
Sie hüstelte erschrocken und fragte sich, ob er sie wohl dabei erwischt hatte, wie sie ihn anstarrte und dabei mit der Zunge über ihre Fangzähne fuhr. Dann runzelte sie die Stirn über seinen Kommentar. „Ähm, woher willst du das denn wissen?“
„Du scheinst jedenfalls sehr selbstsicher zu sein. Genügend, um deinen Blick vom Weg abzuwenden.“
Erwisch t … „Nur zu deiner Information, ich bin keine besonders gute Fahrerin.“ Ihre Freunde beschwerten sich immer über ihre Unsicherheit und ihre Angewohnheit, jeden vorzulassen, auch auf die Gefahr hin, selbst gar nicht mehr voranzukommen.
„Wenn du keine besonders gute Fahrerin bist, worin bist du denn dann gut?“
Sie starrte für ein paar Sekunden auf die Fahrbahn und grübelte über eine Antwort nach. In etwas gut
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