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Nacht des Ketzers

Nacht des Ketzers

Titel: Nacht des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Weinek
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Häusermauern ab. War es davor schon eintönig und für Giordanos Geschmack etwas zu langweilig abgelaufen, so steigerte sich dies nun umso mehr. Die Zugvögel begannen sich zu sammeln, und auf den Wochenmärkten wurden Pilze, Kürbisse und Nüsse angeboten. Auch Beeren aller Art, die Giordano noch nie in seinem Leben gesehen hatte, gab es. Die Menschen begannen, für den nahenden Winter Vorräte anzulegen. Auf einem der Märkte konnte er junge Männer beobachten, die mit nackten Füßen und hochgekrempelten Hosen in einem riesigen Fass Kraut stampften. Giordano hatte dies früher schon einmal gesehen und in Erinnerung, dass das gemeinsame Krautstampfen jedes Mal in einem großen Fest, bei dem reichlich Alkohol floss, geendet hatte. Anders hier. Kein fröhliches Gesicht. Stumm taten die jungen Kerle mit ernster Miene ihre Arbeit. Die jungen Mädchen feuerten sie nicht mit Geklatsche an, ja, es waren nur wenige gekommen, um dem Treiben überhaupt zuzusehen.
    Seine Streitschrift stolz unter den Arm geklemmt, machte Giordano sich auf den Weg Richtung Universität. De la Faye war nicht zugegen, und so überließ er das Bündel einem Bediensteten, der hoch und heilig versprach, es dem verehrten Professor zu überreichen, sobald dieser das Haus betrat. Zufrieden ging Giordano wieder nach Hause. Er hatte sich vorgenommen, mit der Witwe zu reden, ihr etwas Mut und Trost zuzusprechen und sich dann auf den bevorstehenden, öffentlichen Disput mit Professor de la Faye vorzubereiten.
     
    Guiseppe sah Anna auf dem Wochenmarkt. Bauern aus der Umgebung kamen in die Stadt, um ihre Waren anzubieten. Mehrmals war er in den letzten Tagen verstohlen zum Haus de Leverés zurückgekehrt, doch weder Anna noch der Richter ließen sich blicken. Eine Unruhe hatte ihn seit jenem Abend erfasst, aber er fand nicht den Mut, den Vorfällen auf den Grund zu gehen, und nun sah er sie. Ganz nah. Den Kopf verbarg sie unter einem Tuch. Um die geschwollenen Augen hatte sie violett-rötlich-gelbe Ringe.
    „Was wollt Ihr?“ Betreten sah Guiseppe zu Boden. Er hatte sie so lange angestarrt, bis es ihr aufgefallen war.
    „Kann ich Euch helfen?“ Er deutete auf den Korb zu ihren Füßen, der mit Linsen gefüllt war.
    Doch Anna wehrte ab.
    „Euer großer Thomas von Aquin hält uns Frauen zwar für eine Deformation der Schöpfung, doch wir wissen uns schon selbst zu helfen“, sagte sie mit fast spöttischem Unterton und ärgerte sich gleich darauf über den arglos dahingesagten Satz. Sie wollte den jungen Mann, den sie aufgrund der noch schwach erkennbaren Tonsur für einen Mönch hielt, keinesfalls kränken.
    Guiseppes Augen wurden immer größer.
    „Woher kennt Ihr den ehrwürdigen Thomas?“
    „Es ist nicht höflich, eine Frage mit einer Gegenfrage zu beantworten.“ Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Das verdutzte Gesicht des jungen Mannes heiterte sie kurz auf, und sie spürte, dass seine Nähe etwas in ihr veränderte. Ihr Herz klopfte schneller. Plötzlich erblasste sie, hob rasch den Korb hoch und rannte davon. Guiseppe starrte ihr mit offenem Mund nach. Nur wenige Schritte von ihm entfernt bahnte sich der Richter seinen Weg durch das Markttreiben.

Kapitel 31
     
    Giordano war erstaunt, denn die Tür zum Haus der Witwe Lameré stand sperrangelweit auf. Niemand war zu Hause. Er schloss die Tür und entfachte Feuer in einem kleinen Ofen. Kälte hatte sich bereits des Hauses bemächtigt. Wie lange mochte die Witwe schon fort sein? Erst jetzt sah er, dass das Haus offensichtlich durchsucht worden war. Schubladen waren herausgezogen, die Truhe mit der Bettwäsche auf den Kopf gestellt worden. In der Speisekammer lagen zerbrochene Krüge. Giordano hörte Stimmen, ein metallenes Rasseln. Polternd schwang die Tür auf, und Wachen stürmten in das Haus. Wortlos packten sie den vor Überraschung wie Gelähmten, legten ihm Fesseln an und zerrten ihn Richtung Gerichtsgebäude. Die Wachen waren nicht zum ersten Mal an diesem Tag hier, aber das konnte Giordano nicht wissen.
    Wenig später fand er sich in einer kleinen, mit Stroh ausgelegten Zelle wieder. Es roch nach Exkrementen und Angst.
    „Giordano, bist du das?“ Jemand aus der Nachbarzelle rief seinen Namen. Ohne Zweifel, es war der Buchdrucker Bergeon, den sie ebenfalls verhaftet hatten.
    „Ja, ich bin es. Kannst du mir sagen, warum sie uns hierhergebracht haben?“
    „Du Narr, weißt du das denn nicht? Wir sind hier auf Geheiß des Professors de la Faye. Er ist erzürnt über deine Schrift, und

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