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Nacht des Ketzers

Nacht des Ketzers

Titel: Nacht des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Weinek
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auszuführen. Der Junge war begabt, sehr sogar, und da dies offensichtlich alles war, was der Geistliche von ihm zu verlangen schien, willigte er sofort ein. Schmunzelnd zog Beccaria ein Schriftstück aus der Schublade seines Sekretärs hervor. Massimo erbleichte, als er das Siegel des Kardinals erkannte.

Kapitel 35
     
    Zweifel und Gewissensbisse plagten Guiseppe. Trotz der harten Arbeit fand er keinen Schlaf. Am Morgen wollte er Giordano in der Druckerei aufsuchen, sich ihm zu erkennen geben und sodann nach Neapel zurückkehren. Er zwang sich, Anna zu vergessen, und stürzte sich voller Eifer ins Gebet. Wie hatte es nur so weit kommen können? Ein Idiot war er gewesen. Wäre er doch nur hinter den schützenden Klostermauern geblieben! Warum musste er auch seine heile Welt gegen all das hier eintauschen? Sollte Giordano doch ins Verderben rennen. Diesem Narren war ohnedies nicht mehr zu helfen, und ja, schuld an seiner eigenen Misere war auch das Weib. Wie hatte er sich von einem schönen Antlitz gefangen nehmen lassen können? Alles Böse auf der Welt kam doch durch das Weib. Die Sünde. Wer war dafür verantwortlich? Die Patres im Kloster hatten die Mönche eindringlich vor der Macht und den Verführungskünsten der Frauen gewarnt. Sie hatten sie vor diesem schändlichen Einfluss geschützt, so dass sie sich ausschließlich der Lobpreisung Gottes und seines Sohnes Jesus Christus hatten widmen können – und natürlich der einzig Wahren und Reinen, der Jungfrau Maria, der Mutter Gottes.
     
    ***
     
    Als er am nächsten Tag aufwachte, war die Magd bereits mit dem Schrubben des Holzfußbodens in der Wirtsstube beschäftigt.
    „Na, gut geschlafen?“ Ein hämischer Unterton war unüberhörbar. Sie musste den Jungen spüren lassen, dass sie die Eifrigere, Dienstbeflissenere war und deshalb jeden Morgen viel früher als er mit der Arbeit begann. Die Fensterläden standen weit offen. Guiseppe fror ein wenig. Er hatte sich angewöhnt, die allmorgendliche sarkastische Begrüßung zu ignorieren.
    „Gestern hat man diesen Italiener Giordano Bruno abgeholt und zum Konsistorium gebracht. Er soll irgendeine Hetzschrift verfasst haben. Geschieht ihm schon recht. Ihr kommt hierher, weil man euch in eurer Heimat nachstellt, und bittet um Asyl, und dann missbraucht ihr es, indem ihr Unruhe in unsere Gemeinschaft bringt.“ Die Magd sprach einmal mehr ohne Unterbrechung. „Nicht, dass du mich falsch verstehst. Ich habe nichts gegen euch Flüchtlinge. Aber wenn ihr schon hier Unterschlupf sucht, dann habt ihr euch gefälligst an unsere Sitten und Gebräuche zu halten und nicht gegen unsere Gemeinschaft zu hetzen.“ Die letzten Worte hatte sie mehr ausgespuckt als gesprochen.
    Guiseppe war bestürzt. Giordano verhaftet?
    „Noch etwas“, fuhr die Magd fort, „die Witwe Lamaré ... die Hexe baumelt schon die ganze Nacht draußen vor der Stadtmauer.“ Die Befriedigung darüber konnte sie kaum unterdrücken.
    Guiseppe wurde schreckensbleich.
    „Was ist mit Giordano Bruno?“
    „Nichts, was soll schon sein? Er hat seine üblen Unterstellungen widerrufen und seine Schrift noch in der Nacht auf dem Platz vor dem Konsistorium verbrennen müssen. Ich war dabei“, triumphierte sie. „So etwas darf man sich doch nicht entgehen lassen.“
    „Ja, aber was ist mit Bruno selbst?“ Guiseppe stammelte die Worte.
    „Weg. Er hat die Stadt verlassen müssen. Zum Glück. So einen wollen wir hier nicht haben bei uns. Nun steh nicht so faul herum. An die Arbeit!“
    Guiseppe ließ alles stehen und liegen, packte seine Habseligkeiten und eilte Richtung Stadttor.

Kapitel 36
    12. Juni 1598
     
    Der Kardinal lächelte gütig. Er wusste, sein alter Diener nahm manchmal belanglose Dinge sehr, sehr ernst. Etwa, wenn er übersehen hatte, dass die Milch sauer geworden war oder die Wäscherinnen die Laken nicht ordentlich gefaltet hatten. Doch diesmal schien der Fall ernster zu sein.
    „Ihr kennt doch den Enkel meines Bruders. Massimo ist sein Name.“
    Bellarmin nickte. Der Junge hatte ab und zu im Palazzo Handwerksdienste verrichtet, und bei der Gelegenheit hatte Valerio ihn ihm vorgestellt. Durch besonderen Fleiß und Ehrgeiz hatte er sich nicht ausgezeichnet. „Dieser Nichtsnutz“, beeilte sich sein Diener hinzuzufügen. Der Kardinal nickte abermals zustimmend.
    „Der Junge hat mich gestern besucht, weil er wieder einmal Geld brauchte, und dann hat er sich noch über meinen Wein hergemacht. Als er so richtig betrunken war“, sprudelte es

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