Nacht des Ketzers
er nicht unverzüglich, so bleibt er im Kerker gefangen. Widerruft er auch nach Anwendung der Folter nicht, so ist er nach dem dritten Verhör hinzurichten. Widerruft er, so ist er zu exkommunizieren und muss seine Schrift öffentlich als unwahr bezeichnen, verbrennen und sodann unverzüglich die Stadt verlassen.“
De Bezé duldete keine Widerworte. Er erhob sich langsam aus seinem Stuhl und verließ den Sitzungssaal. Caracciolo sah ein, dass er einen großen Fehler begangen hatte. Nun konnte er seine schützende Hand nicht mehr über Giordano Bruno halten. Was für ein Narr. Was für ein verdammter, kluger Narr. Insgeheim bewunderte er ihn ob seiner konsequenten Haltung und dafür, dass er es dem aufgeblasenen Idioten de la Faye gezeigt hatte. Aber nun konnte er nichts mehr für ihn tun.
Die Wachen brachten zuerst den wimmernden Buchdrucker in den Sitzungssaal. Ein nasser Fleck zwischen seinen Hosenbeinen verriet seine Angst. Bergeon war bereit, alles zu gestehen, sich von dem gedruckten Machwerk zu distanzieren. Als er merkte, dass er ohne Folter davonkommen würde, lachte er übertrieben und scherzte darüber, wie leichtsinnig er gewesen war, Bruno zu vertrauen, und dass dies selbstverständlich nie mehr vorkommen würde. Nur als man ihm die Geldbuße nannte, die er zu zahlen hatte, heulte er auf. Aber das Konsistorium war gnädig, sah ein, dass von dem armen Wicht keine Gefahr drohte, und erließ ihm die Hälfte der geforderten fünfzig Gulden.
Giordano, ebenfalls geschockt von der Haft und den Folterungen, die er zwar nicht gesehen, dafür aber umso intensiver gehört hatte, wollte sich verteidigen. Als er aber sah, wie der Marchese unmerklich zwar, doch für ihn unmissverständlich das Haupt schüttelte, wusste er, dass ihm keine andere Möglichkeit blieb, als zu widerrufen. Er sank auf die Knie, vor Widerwillen wurde ihm übel. Das selbstgefällige Grinsen des Professors versuchte er, nicht zur Kenntnis zu nehmen. Sein Blick weilte auf einem Holzrelief hinter de la Faye, das eine Jagdszene zeigte. So gut er konnte, bat er ihn und das gesamte Konsistorium um Vergebung. Am liebsten hätte er sich auf die Zunge gebissen, aber der Drang, heil aus der ganzen Sache herauszukommen, war stärker. Noch am selben Abend musste er seine Schrift eigenhändig auf dem Platz vor dem Konsistorium verbrennen, nachdem er noch einmal deren Inhalt als falsch und den Professor als weisen Gelehrten bezeichnet hatte. Gleich darauf verließ Giordano Genf. De Bezé hatte angeordnet, die Witwe Lamaré zu foltern. Anfangs weigerte sie sich noch tapfer, die ihr vorgehaltenen Vergehen zuzugeben. Es gelang ihr sogar, einem ihrer Peiniger ins Gesicht zu spucken, woraufhin sie nach einem gezielten Faustschlag ins Gesicht mehrere Zähne verlor. Ein weiterer Hieb und einige Tritte in den Unterleib brachen ihren Widerstand. Stumm mit dem Kopf nickend, bestätigte sie die gegen sie erhobenen Anschuldigungen und wurde gleich darauf von zwei Jungen vor die Stadt gebracht. Ohne sich zu wehren, ließ sie alles mit sich geschehen, fügte sich in ihr Schicksal und spürte nur noch, wie man ihr die Schlinge um den Hals legte.
Kapitel 34
„So, mein Junge, und jetzt habe ich noch eine Aufgabe für dich.“ Beccaria lächelte süßlich, während er erstaunlich leichtfüßig aus dem Bett sprang. Der junge Mann, der das Laken um die Hüfte geschwungen hatte und nun schlafen wollte, hieß Massimo. Der viele Wein, den der Ordensgeneral ihm eingeflößt hatte, hatte seine Wirkung getan. Augenblicklich verfinsterten sich Beccarias Züge. Er nahm die Lederpeitsche, die ihm noch kurz zuvor selbst ungezügelte Lust verschafft hatte, und schlug damit auf den Jüngling ein.
„He, was soll denn das?“ Beccarias Lustknabe war mit einem Schlag nüchtern. Abrupt richtete er sich auf und versuchte, mit der Hand die Hiebe abzuwehren. Beccaria wurde sich plötzlich der Lächerlichkeit seiner Erscheinung bewusst. Nackt war er vor dem Bett hin und her gehüpft. Sein Glied, unter dem voluminösen Bauch kaum zu sehen, wackelte unablässig hin und her.
„Aufhören, so hört doch auf.“
„Nun gut, mein Junge.“ Beccaria hielt inne und zog sich rasch seinen Seidenmantel über. „Du wirst mir jetzt einen Gefallen tun.“ Der Ordensgeneral wusste, dass Massimo sein Geld hauptsächlich damit verdiente, dass er Unterschriften oder ganze Schriftstücke gegen Bezahlung fälschte. Er hatte ihn selbst schon mehrmals beauftragt, einen solchen Dienst für ihn
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