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Nacht des Ketzers

Nacht des Ketzers

Titel: Nacht des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Weinek
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Wissenschaft, reiches Bürgertum und mittendrin ein König, der sich in diesem Glanz badete. Giordano war bereit, wollte eintauchen in das neue Leben. Er breitete die Arme aus und wandte sich um, um seinen Weggefährten zu beglückwünschen, dass sie es unbeschadet bis hierher geschafft hatten. Doch als er Guiseppes Augen sah, wusste er, was kommen würde. Er ging auf den Freund zu und umarmte ihn.
    „Ich danke dir, dass du mir bis hierher ein so treuer Weggefährte warst. Du sollst wissen, dass ich dich wie einen Bruder liebe und immer lieben werde.“
    Guiseppe fühlte Tränen in sich aufsteigen. Fest drückte er den Älteren, der ihm mehrfach auf die Schultern klopfte.
    „Ich danke dir, Giordano, dass du mir die Augen geöffnet und mir den rechten Weg gewiesen hast.“
    „Geh schon. Gib acht auf dich und tue, was dein Gewissen dir befiehlt.“
    „Es ist nicht das Gewissen, Giordano, es ist das Herz.“ Mit diesen Worten stieg er in den Sattel und jagte in Richtung Süden davon.

Kapitel 50
     
    Heinrich furzte zweimal so laut, dass alle glaubten, der Louvre würde einstürzen. Darauf folgte lautes Gelächter, und die Jagd ging weiter. Wo hatte er sich nur versteckt? Begleitet von einem kleinen Orchester zog die Jagdgesellschaft durch die Zimmerfluchten des Schlosses. Der König hatte Büsche und Sträucher in riesigen Töpfen aufstellen lassen, und so wirkten die einzelnen Säle wie kleine Wälder. Da endlich wackelte hinter einem Kanapee eine Pfauenfeder verräterisch. Nein, es war der Marquis de Relois, der sich sturzbetrunken hierhin zurückgezogen hatte, um sich etwas auszuruhen. Doch die Jagdgesellschaft, allesamt Damen aus umliegenden Etablissements, die der König zu sich ins Schloss hatte bringen lassen, waren unerbittlich. Sie zogen den armen, nur mit einem Federschurz und einer Federkrone bekleideten Marquis hoch, fesselten ihn an den Händen und zogen ihn mit lautem Gejohle hinter sich her. Die Frauen trugen Jagdröcke und Hüte, ansonsten waren sie nackt. Ein Jagdhorn verkündete die erfolgreiche Gefangennahme. Wieder hörten sie ein Geräusch, diesmal schien es aus der Wand zu kommen. Leise pirschten sie sich an und entdeckten schließlich die Tapetentür. Mit einem Ruck rissen sie sie auf, und heraus purzelte ein junger Mann, der nur eine braune Maske und ein darauf befestigtes Hirschgeweih trug. Sofort stürzten die Frauen sich schreiend auf ihn. Wieder ein Gefangener mehr und noch immer kein Lebenszeichen von Heinrich. Die neuen Gefangenen wurden in einen eigenen Raum gebracht, wo sich bereits Wildschweine, Hasen, Fasane und Rehböcke befanden. Alle wurden sie von ihren leichtbekleideten Aufseherinnen mit der Hand gefüttert. Gebratene Kastanien, Hähnchenkeulen, Weintrauben, allerlei exotische Früchte. Den Champagner mussten sie allerdings aus Eimern trinken, die ihnen vors Gesicht gehalten wurden. Gierig versuchten sie, mit ihren Zungen das prickelnde Getränk zu erreichen. Einige der als Tiere verkleideten Männer waren so betrunken, dass sie kopfüber in die Eimer fielen. Andere griffen sich einfach eine der Aufseherinnen und begannen, sich in irgendeiner Ecke ungeniert mit ihr zu vergnügen. Die kleine Kapelle folgte ihnen auf Schritt und Tritt und spielte Menuette. Ein als Fuchs verkleideter Mann übergab sich geräuschvoll auf den Parkettboden. Diener eilten herbei und säuberten den Raum, um sodann wieder diskret zu verschwinden. Die Jagdgesellschaft mochte aus etwas dreißig, vierzig Menschen bestehen. Einige Gruppen irrten noch ziellos durch die Zimmerfluchten, aber der König blieb verschwunden. Ein junges Mädchen, keine sechzehn Jahre alt, versuchte, vor einem Eber zu fliehen, doch als sie stolperte, fiel der Mann auf sie und nahm sie unter den anfeuernden Rufen einiger Aufseherinnen. Der korpulente, mit einer Wildschweinmaske verkleidete Mann kam dabei mächtig ins Schwitzen. Eine der Aufseherinnen peitschte sein nacktes Hinterteil, das sich rhythmisch hob und senkte. Diejenigen, die noch einigermaßen gehen konnten, kamen nun in den etwa vier Meter hohen Saal und feuerten den Eber und die Aufseherin mit der Peitsche mit lauten Rufen an. Einige imitierten das Heulen eines Wolfes oder das Grunzen eines Wildschweines. Auch das Röhren eines Hirsches war zu vernehmen. Der Saal war rundum mit Spiegeln ausgekleidet. Einige Männer und Frauen zogen sich, durch die Darbietung angeregt, zwischen die künstlich geschaffenen Büsche zurück. Immer noch spielte die Musik zu diesem grotesken

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