Nacht des Ketzers
er immer wieder so ganz nebenbei einwarf. Orangen, Zitronen, Oliven, Quittengelee auf den Märkten, Feigen, das alles hatte ihn trotz seiner verhaltenen Liebe zu Obst und Gemüse vor allem ob der Größe und der Intensität der Farben sehr beeindruckt. Am besten hatte ihm auf seinen Reisen allerdings die deutsche Küche behagt. Mit Apfelringen bedeckte Suppen, Kohl in verschiedenen Varianten, Pflaumenkompott als Beilage zum Fleisch, Eier, immer hart gekocht und geviertelt auf den Salat und alles immer in reichlichem Übermaß. De Montaigne selbst war der Meinung, dass der Körper gesund sei, wenn es ihn nach all diesen Leckereien gelüste, und er verfluchte die Ärzte, die einem Schonkost und Diäten verschrieben, um irgendwelche Leiden zu vertreiben.
„Man kann doch nicht Übel mit Übel bekämpfen, mein lieber Giordano“, sagte er.
Der Jüngere nickte heftig und überhörte den schweren Zungenschlag de Montaignes geflissentlich.
Bevor de Montaigne trunken vom Rotwein, den zu loben er nicht müde geworden war, ins Bett fiel, hatte er zu einer letzten Rede angehoben. „Ich verabscheue Krieg und Folter, da vor allem die Folter zutiefst unmenschlich und obendrein sinnlos ist. Ich verabscheue überhaupt jede Art von Menschen- und Tierquälerei, da ich einen Hass auf alle Grausamkeiten habe.“ De Montaignes Stimme bebte leicht, als er fortfuhr.
„Ich schäme mich für meine Landsleute, wenn ich sehe, wie sie vor allem zurückscheuen, was neu für sie ist und was nicht ihren Verhaltensweisen entspricht, und ich verabscheue die Vernichtung der Wilden und ihrer Kulturen, da wir sie selbst in ihren schlimmsten Barbareien noch übertreffen.“
Endlich war er erschöpft auf seinen Stuhl gesunken, und Giordano half ihm, sich auszuziehen, und brachte ihn zu Bett.
Kapitel 61
„Giordano Bruno, Majestät!“
Heinrich winkte den Gelehrten näher. Giordano näherte sich dem Monarchen in leicht gebückter Haltung. Er hatte sich dem Anlass entsprechend neu eingekleidet. De Montaigne hatte ihm einen Schneider in der Nähe ihres Quartiers genannt, und glücklicherweise hatte der passende Kleidung in Giordanos Größe lagernd gehabt. Dem neuen Freund folgend, hatte er einen schwarzen Gehrock mit ebensolchem Umhang und Hut gewählt. Gleich in der Nähe der Schneider hatten sich die Schuster niedergelassen, und so hatte sich auch noch die Gelegenheit ergeben, ein neues Paar Stiefel zu erwerben. Giordanos Müdigkeit war der Aufregung gewichen, die ihn beim Anblick des Königs von Frankreich befiel.
Er war froh, dass er seinem Freund beim Leeren der Flaschen nicht allzu sehr beigestanden hatte. Er wollte bei ihm einen guten Eindruck hinterlassen, denn er wusste, dass gute Beziehungen zum Monarchen eine wichtige Lebensversicherung und vor allem auch ein wichtiger Beitrag zum wirtschaftlichen Auskommen waren. Nicht zuletzt deshalb hatte er sein letztes Erspartes in die Anschaffung neuer Kleider gesteckt. Zwar war er gewiss, dass er durch seine Vorlesung schon bald wieder Geld würde einnehmen können, um so Kost und Logis zu begleichen, doch es war ihm nicht ganz wohl bei dem Gedanken, kein Geld mehr in der Tasche zu haben.
„Verehrter Monsieur Bruno. Ich habe gar Famoses von Euch vernommen.“ Huldvoll lächelte der Monarch von seinem Thron herab. Links und rechts von ihm standen bewaffnete Wachen, daneben hatte sich sein engster Hofstaat aufgestellt. Einer der Adligen fiel ihm besonders auf, da er unablässig wohlwollend nickte. Er war groß gewachsen, trug einen Backenbart, Pluderhosen und hielt ein Barett vor der Brust. Auch einige Professoren aus dem Kollegium der Sorbonne waren anwesend.
„Sieh an, die Schmarotzer“, dachte Giordano in Erinnerung an die Worte de Montaignes. Als der König ihn aufforderte, ein Beispiel seiner Künste zum Besten zu geben, bediente sich Giordano seiner Lullusschen Scheibe, mit deren Hilfe er Sätze verändern und sie logisch neu zusammensetzen konnte. Er hatte die Scheibe neben einigen seiner Schriften am Morgen eingepackt und vermachte sie nun dem König als Geschenk. Heinrich war sehr angetan und hieß ihn am nächsten Tag wiederkommen. Giordano sah die argwöhnischen Blicke der Professoren. Mit stolzgeschwellter Brust verließ er den Audienzsaal. Erst jetzt hatte er Augen für die Weitläufigkeit des Palastes. Riesenhafte Gobelins und Gemälde mit biblischen Darstellungen begleiteten ihn auf seinem Weg hinaus. Manche der Räume, die er, geleitet von zwei Wachen, durchschritt, waren
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