Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nacht des Ketzers

Nacht des Ketzers

Titel: Nacht des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Weinek
Vom Netzwerk:
ganz mit Marmor verziert, andere wiederum mit Unmengen von Spiegeln versehen. Einen Raum zierten Fresken, in einem anderen schmückte Blattgold die Wände. An den Decken befanden sich zumeist Stuckmalerei und Sgraffiti.
    „Monsieur Bruno!“
    Giordano war fast am Haupttor angelangt, als jemand seinen Namen rief. Er drehte sich um und sah den Edelmann, der ihm die ganze Zeit über zugenickt hatte.
    „Gestattet, dass ich mich vorstelle: Michel de Castelnau, französischer Gesandter am Hofe der englischen Königin.“ Er deutete eine kurze Verbeugung an. „Darf ich Euch ein Stück begleiten?“
    „Aber gern, Monsieur.“ Giordano war immer noch gut gelaunt, da er wusste, dass sein erster Auftritt beim König ein voller Erfolg gewesen war.
    „Ihr müsst wissen, ich habe schon viel über Euch gehört.“
    Giordano zog die Brauen hoch und sah den Gesandten fragend an.
    „Wir haben einen gemeinsamen Freund. Monsieur de Montaigne ist ein langjähriger Bekannter von mir.“
    De Castelnau lenkte die Schritte des Gelehrten Richtung Stadtzentrum. Vor einer Gaststätte machte er halt. „Gestattet Ihr mir, Euch zu einem Essen einzuladen?“
    Ohne eine Antwort abzuwarten, betrat er die düstere Wirtsstube. Einige Studenten saßen bereits in feuchtfröhlicher Runde beisammen. Es wurde viel gelacht, und Zoten flogen durch die Luft. Ein bärbeißiger Wirt mit Oberlippenbart füllte die Bierkrüge der jungen Leute immer wieder unaufgefordert nach. Die beiden ließen sich nahe dem Ausgang nieder. De Castelnau rief den Wirt und fragte, was es in der Küche gäbe.
    „Monsieur, wir haben heute Morgen frische Rebhühner bekommen. Meine Frau bereitet sie in einer Sauce aus Weißwein und Senfkörnern zu.“ Der dickliche, kleine Mann rieb ständig seine Hände und wippte mit den Fersen.
    „Das klingt doch vorzüglich. Was meint Ihr, Monsieur Bruno?“
    Giordano nickte nur. Er dachte an de Montaigne und daran, dass er ihn am Abend wieder aufsuchen würde, um ihr Gespräch vom Vortag fortzusetzen.
    „Dazu bringt Ihr uns einen Krug von Eurem besten Weißen!“
    „Selbstverständlich, Monsieur, Ihr werdet Eure Wahl nicht bereuen.“ Nach einer raschen Verbeugung eilte der Wirt Richtung Küche davon.
    „Sehr gut, sehr gut. Wie Ihr seht, Monsieur Bruno, kann ich einer köstlichen Mahlzeit und einem guten Tropfen nur sehr schwer widerstehen.“ De Castelnau strich sich über sein ganz ansehnliches Bäuchlein. Nach dem zweiten Krug Wein erzählte Giordano über seine abenteuerliche Reise von Neapel bis hierher nach Paris. De Castelnau hörte aufmerksam zu, nickte manchmal zustimmend, lächelte über heitere Begebenheiten und schwieg betroffen, wenn er es für angebracht hielt. Ab und zu unterbrach er den Redefluss des Erzählers, stellte Fragen oder kommentierte Aussagen. Giordano würzte seine Rede mit allerlei philosophischen Einwürfen, bemühte sich aber, nicht zu sehr abzuschweifen. Doch selbst als er genüsslich an einem Bein des Rebhuhns nagte, hielt er nicht inne. Der Wirt hatte nicht zu viel versprochen. Gar köstlich schmeckte das Geflügel. Mit Weißbrot tunkten sie die Sauce. Es schien Giordano, als sei de Castelnau von ähnlichem Zuschnitt wie Monsieur de Montaigne. Auch er hatte diese Art, das Leben von der heiteren Seite zu betrachten, sich den sinnlichen Genüssen nicht zu verschließen, aber auch der Ernsthaftigkeit ihren Platz zu lassen. Alles zu seiner Zeit. Leben und leben lassen. Zum Nachtisch brachte der Wirt Apfeltarte und servierte dazu Calvados aus einer großen, bauchigen Flasche. Nun war es aber an der Zeit, nach Hause zu gehen. Giordano wollte sich etwas schlafen legen und war danach mit dem Eigentümer eines Stadtpalais verabredet, der die großen, weitläufigen Räume für Privatvorlesungen vermietete. Später wollte er in der Umgebung der Sorbonne Anschläge anbringen, in der er seine Vorlesung ankündigte.
    „Darf ich Euch noch ein paar Schritte begleiten?“
    Giordano willigte gerne ein. Sein Begleiter tat einen mächtigen Furz und schnaufte hernach zufrieden. Die Akkuratesse der Parkanlagen und die frische Frühlingsluft machten, dass er sich trotz des üppigen Mahles leicht fühlte. Man sprach über dies und das, und de Castelnau empfahl ihm im Vorübergehen die eine oder andere Gaststätte. Mal waren es die Muscheln und anderen Meerestiere, die er lobend erwähnte, mal das frische Wild, und er vergaß natürlich nie, auf den guten Wein hinzuweisen – und falls er, Giordano, einmal ganz andere Gelüste

Weitere Kostenlose Bücher