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Nacht des Ketzers

Nacht des Ketzers

Titel: Nacht des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Weinek
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waren auf dem Weg zur nahen Seine und begleiteten ihren Flug mit lautem Geschrei. Die Blumenbeete waren von Steinen umrandet, zwei junge Männer gruben mit spitzen Stangen Löcher in die Erde.
     
    ***
     
    „Ich kann Euch leider nicht ganz folgen, Monsieur Bruno.“ Monsieur Lotair zeigte sich maßlos enttäuscht ob der Weigerung Giordanos, eine Professur an der Universität anzunehmen. Auch die anderen Mitglieder des Kollegiums zeigten sich erstaunt, einige flüsterten miteinander, andere schüttelten nur den Kopf. So etwas hatte es in der Geschichte des Hauses nicht gegeben. Noch nie hatte jemand eine Professur ausgeschlagen. Niemals.
    „Mein Entschluss steht fest, Monsieur Lotair, so schwer es mir auch fällt, aber ich habe mich entschlossen, mit meiner Wissenschaft einen anderen Weg zu beschreiten.“
    „Sind wir Ihnen nicht gut genug?“, rief ein Professor dazwischen.
    „Aber nein, Monsieur, das ist es nicht. Im Gegenteil. Ich fühle mich durch Euer Angebot über die Maßen geehrt.“ Giordano bemühte sich, fand aber irgendwie nicht die richtigen Worte. Seine Stimme klang arrogant. Er merkte in den Gesichtern der Professoren, dass sie ihn nicht verstanden, und eigentlich wusste er selbst nicht so genau, warum er die Chance ausschlug, an einer der berühmtesten Universitäten Europas Professor zu werden. Aber irgendetwas sagte ihm, er solle es bleibenlassen, würde sich als Privatgelehrter seine Unabhängigkeit bewahren und sich seine Freiheit erhalten können. Er sah, dass es keinen Sinn mehr hatte, etwas zu sagen, er würde nur seine und die Zeit der Professoren verschwenden. Er verbeugte sich tief und verließ unter lautem Murren den Kollegiumssaal. Als er die schwere Tür hinter sich schloss, atmete er tief durch. Ein einsames Klatschen hallte durch den Säulengang. Giordano sah nach links, nach rechts, eine Gestalt löste sich aus dem Schatten der Säulen. Die Sonne schien durch ein hohes Fenster im Rücken, so dass er den Näherkommenden nicht sofort erkannte.
    „Chapeau, Monsieur Bruno!“
    „Monsieur de Montaigne, Ihr? Wo …?“
    „Wo ich gestern gewesen bin, fragt Ihr? Nun, Monsieur Bruno …“
    Giordano fiel auf, dass er ihn nicht mehr auf Italienisch ansprach wie zu Beginn ihrer Begegnung.
    „… seit geraumer Zeit plagen mich schwere Nierenkoliken. Gestern Abend war es wieder so weit. Die Schmerzen sind unerträglich. Kein Arzt konnte mir bisher helfen. Nach einer Weile vergeht der Schmerz, und man fühlt, wie das Leben zurückkehrt. Zumal dann, wenn man so einer Vorstellung wie der Ihren eben beiwohnen darf.“
    „Wie? Ihr wart …?“
    „Ja, ich war im Kollegiumssaal, ganz hinten, und bin dann, als ich sah, dass es Euch ernst war, durch eine Seitentür hinaus, und ich kann Euch zu Eurer Entscheidung nur beglückwünschen.“
    De Montaigne trug einen schwarzen Umhang, der seinen ganzen Körper verhüllte. Auf dem Kopf hatte er einen breitkrempigen Hut, das Haar hing strähnig links und rechts darunter hervor. Er war blass im Gesicht. Die Augen lagen tief in den Höhlen, die Lippen waren schmal, und er war schlecht rasiert. Dennoch strahlte er Zufriedenheit aus.
    „Es tut mir aufrichtig leid, das zu hören, Monsieur de Montaigne. Aber wie darf ich das verstehen, dass Ihr mich zu meinem Entschluss beglückwünscht? Ich hatte den Eindruck, das gesamte Kollegium hält mich für einen Narren, und vermutlich bin ich tatsächlich einer.“
    „Das seid Ihr gewiss nicht, Monsieur Bruno. Schon nach der ersten Silbe Eurer Vorlesung gestern wusste ich, dass Ihr nicht hierhergehört. Zwar berufen sich viele der Professoren darauf, freie Geister zu sein. In Wahrheit herrscht hier aber eine ganz strenge Hierarchie. Argwöhnisch achtet man darauf, dass niemand der Jüngeren den älteren Professoren ihren Rang streitig macht. Sie kämpfen zwar gegen den Einfluss der Jesuiten, aber nur, um ihren kleinen Staat im Staate zu schützen. Ihr, Monsieur Bruno, seid nicht wie sie. Sperrt man Euren Geist in einen Käfig, verkümmert er. Legt man Euch Fesseln an, verdorrt Ihr wie eine Blume ohne Wasser. Verordnet man Euch Regeln, müsst Ihr dagegen rebellieren. Vorschriften jedweder Art sind Euch ein Greuel, und die gesamte Universität ist eine einzige Anhäufung von Vorschriften, Geboten und vor allem Verboten.“
    De Montaigne fuchtelte mit den Armen vor dem Gesicht Giordanos herum.
    „Außerdem, werter Monsieur Bruno, nehmt Euch in Acht. Nicht alles, was sich Euch unter dem Deckmantel der Liberalität

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