Nacht des Schicksals
gesellen. Sie musste sich förmlich zwingen, den kurzen Weg zur Bar zurückzulegen. Zögernd kletterte sie auf einen der Barhocker. Sie legte ihre Handtasche auf dem Tresen und faltete die Hände im Schoß.
“Wessen Idee war das?”, fragte sie. Brodie sah atemberaubend gut aus in seinem saphirblauen Poloshirt und der silbergrauen Hose.
“Hayleys”, erklärte er.
“Du hättest nicht hier sein müssen”, sagte sie. “Du hättest bestimmt Aufregenderes zu tun, als an einem Freitagabend an einem Kindergeburtstag teilzunehmen.”
“Was zum Beispiel?”
Sie zuckte die Schultern. “Mit jemandem ausgehen, zum Beispiel.”
“Mit jemandem?”
“Mit einer Frau.” Was rede ich nur, fragte sie sich, doch ihre Zunge schien ein Eigenleben zu führen. “Ich hörte, du hast … etwas mit der Schwester deiner Sekretärin.”
“Vivi? Ja, ich bin mit ihr ausgegangen, aber ich habe nichts mit ihr. Wir sind schon seit Jahren befreundet. Ihr Mann hat sie gerade verlassen, und sie brauchte eine Schulter zum Ausweinen.” Er sah sie unverwandt an. “Ich bin ein guter Zuhörer. Wenn jemand Probleme hat oder Sorgen … oder auch Geheimnisse, dann bin ich der Richtige.”
Kendra krümmte sich innerlich unter seinem Blick. Sie wusste, worauf er anspielte.
“Dann kann sich Vivi glücklich schätzen”, sagte sie, “dass sie jemanden gefunden hat, dem sie sich anvertrauen kann.” Bevor er etwas darauf erwidern konnte, fuhr sie fort: “Mmh, der rosa Punsch sieht köstlich aus. Könnte ich davon probieren, Mr Barkeeper?”
Sein Mund verzog sich zu einem spöttischen Lächeln. Er schien gemerkt zu haben, dass sie absichtlich das Thema gewechselt hatte, doch er ließ es dabei bewenden.
“Einmal Erdbeerpunsch für die Lady.” Er trat an die große Schale am Ende der Bar. Mit einer Kelle füllte er zwei Gläser mit dem sprudelnden Getränk und schob eines davon über den Tresen zu Kendra. “Cheers!”, sagte er und hob sein Glas.
Ihr “Cheers” wurde vom kreischenden “Oh!” und “Ah!” der Kinder übertönt. Sie wandte sich um. Megan hielt begeistert ein senffarbenes Kofferradio in die Höhe.
“Von Hayley und Zoe!”, rief sie. Dann wandte sie sich dem nächsten Geschenk zu.
Der Lärm um sie her wurde immer ohrenbetäubender. “Ich muss mich bei dir bedanken.” Kendra sprach lauter, um den Krach zu übertönen. “Was Megan und die Treppe betrifft, hattest du recht. Ich habe es falsch angefangen. Ich habe völlig überreagiert.”
“Du liebst Megan und wolltest sie beschützen. Daran ist nichts falsch. Aber früher oder später wird sie selbst für ihre Sicherheit verantwortlich sein. Wenn du nicht Schritt für Schritt damit beginnst, wird sie es nie lernen.”
“Ja, ich weiß. Es ist nur … Sie ist das Einzige, was ich auf der Welt habe.”
“Das hast du dir so ausgesucht.”
“Ja”, stimmte sie zu. “Ich wollte es so.”
Brodie sah sie prüfend an. “Megan ist heute acht geworden. Hat es seitdem niemanden in deinem Leben gegeben?”
Sie schüttelte den Kopf.
“Gebranntes Kind”, murmelte er. “So ungefähr?”
“So ungefähr”, stimmte sie zu.
“Auch Vivi hat sich die Finger verbrannt, aber sie lässt sich von dieser schlechten Erfahrung nicht den Rest ihres Lebens vermiesen. Aus Kränkung und Schmerz ist bei ihr rasch ein gesunder Zorn geworden. Auch der wird vorbeigehen. Sie ist schließlich erst dreißig und weiß, dass ihr noch eine Menge vom Leben bleibt. Sie will nicht allein bleiben und glaubt immer noch an die Ehe.”
“Du hast gut reden! Du bist siebenundzwanzig und auch noch nicht verheiratet.”
Er wollte etwas erwidern, aber sie ließ sich nicht bremsen. “Zugegeben, du musstest dich um drei Kinder kümmern und wolltest Hayley zuliebe keine andere Frau ins Haus bringen, aber ich weiß, dass Hayley jetzt nichts dagegen hätte, wenn du dir eine Frau nehmen würdest.”
“Woher willst du das denn wissen?”
Kendra wünschte, sie hätte sich nicht verplappert, aber nun gab es kein Zurück mehr. “Frag mich nicht. Ich weiß es aus gut unterrichteten Kreisen.”
Brodie sah sie scharf an. “Ich habe Jodi und Megan flüstern hören. Hat es etwas damit zu tun, dass Hayley im nächsten Jahr aufs College geht?”
Nun hatte es keinen Zweck mehr, um den heißen Brei herumzureden. “Sie wird nicht gehen, bevor du jemanden gefunden hast.”
“Jemanden gefunden?”
Kendra unterdrückte ein Stöhnen. “Bevor du geheiratet hast.” Nun war es heraus.
“Soso! Hayley will,
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