Nacht des Verfuehrers - Roman
antwortete, dass ihr Körper mit einem kleinen fleischlichen Schauder reagierte. Er bereute sein Heiratsversprechen nicht, zumindest noch nicht. Er kannte keine Skepsis, keine Zweifel, keine Verunsicherung. Er ist schließlich keine Frau, flüsterte es heimtückisch in ihrem Hinterkopf. Wie schlimm konnte die Ehe für einen Mann schon sein, selbst wenn jemand wie sie die Auserwählte war? Ihre einzige Machtposition, rechtlich wie auch real, gründete sich auf der juristisch festgeschriebenen Unantastbarkeit eines Teils ihrer Mitgift.
Der Priester hob wieder zu sprechen an, und Alcy sah sich erneut in ein Labyrinth aus fremdländischen Traditionen geworfen. Sie wiederholte, genau wie bei einer anglikanischen Hochzeit, die verschiedensten Formeln, allesamt in einer Sprache, die sie nicht verstand; bestimmt sprach sie dabei vieles falsch aus. Der Priester steckte ihr einen Ring an den vierten Finger der rechten Hand und tauschte ihn dreimal mit dem Ring des Barons. Wie sonderbar, überlegte sie geistesabwesend, dass auch der Mann einen Ring trägt.
Plötzlich wurde ihr klar, dass Baron Benedek ihren Namen sagte – das musste das Ehegelöbnis sein. Als sie an der Reihe war, wiederholte sie viele ganz ähnliche Laute, doch im Wirrwarr der Silben schien sie seinen Namen gemurmelt zu haben, ohne es zu bemerken, zumindest hatte sie ihn im Ansturm der Worte nicht erkannt.
Dann tauchten von irgendwoher zwei mit einem Band verbundene Blumenkränze auf, um ihnen auf den Kopf gelegt, dreimal getauscht und wieder fortgenommen zu werden, während der Baron ihre Hand umschlungen hielt. Anschließend tranken sie beide dreimal aus einem Glas Wein, und schließlich führte der Priester sie um den Altar. Währenddessen saß, stand, kniete die Gemeinde abwechselnd, sang oder antwortete im Chor auf die Worte des Priesters. Zudem gingen mehrere Hilfspriester und Messdiener ihren sonderbaren Aufgaben nach.
Das Ende der Zeremonie kam völlig unerwartet. Alcy ließ sich am starken Arm ihres frisch angetrauten Ehemannes aus der Kapelle führen, während in der Gemeinde das Chaos ausbrach. Einige der Anwesenden spendeten dem frisch verheirateten Ehepaar Beifall, aber die meisten
unterhielten sich angeregt und debattierten bereits über die Zeremonie, die soeben stattgefunden hatte.
Ein paar Augenblicke später war Alcy wieder auf dem Flur, wo der Baron sie vor ihrer Eheschließung geküsst hatte. Er blieb stehen und schloss hinter der Menge die Tür, als mache er die Tür eines Privatgemachs zu. Dann sah er sie wieder an und setzte langsam und ganz bewusst ein Lächeln auf, das Alcy wegen seiner animalischen Anmutung einen warmen Stich versetzte.
»Jetzt haben wir die Zeremonie hinter uns, und alles, was uns noch von der unwiderruflichen Rechtmäßigkeit unserer Ehe trennt, ist ihr Vollzug«, sagte er, und seine hellblauen Augen glitzerten.
Alcy klappte ob dieser Unverfrorenheit der Mund auf, doch er lachte wie ein kleiner Junge, den man bei einem übermütigen Streich erwischt hatte. Er beugte sich rasch zu ihr und küsste sie wie ein Mann, der er nun einmal war, auf die geöffneten Lippen. Bevor sie kaum mehr als keuchen konnte, hatte er sich schon wieder aufgerichtet, während Alcy vor Schreck bebte. Ihr war zumute, als hätte sie bis jetzt nie wirklich verstanden, was es hieß zu fühlen – als seien ihre Nerven bis zu diesem Augenblick nie wirklich erwacht gewesen -, und jetzt sangen sie alle auf einmal und wollten mehr.
»Das muss Ihre Zofe sein«, sagte der Baron unvermittelt und wandte den Kopf in Richtung des Korridors, sodass sich das Licht, das aus einem der Seitengänge fiel, auf seinem schwarz gesträhnten Haar brach. Jetzt, da er sie darauf aufmerksam machte, konnte auch Alcy das leise Klicken von Absätzen auf dem Steinboden ausmachen. »Sie müsste mittlerweile wissen, wo sich meine Gemächer befinden,
und wird Sie hinbringen, damit Sie sich zum Essen umziehen können.« Er hielt inne, um seine Worte wirken zu lassen.
Alcy nahm sich zusammen und antwortete, doch ihre instinktive Abwehrhaltung ließ sie bissiger als beabsichtigt klingen. » Unsere Gemächer, meinen Sie wohl?«
Er begutachtete sie eingehend, und sie schluckte gegen das Schwindelgefühl im Kopf und den Druck im Magen an. »Nach der heutigen Nacht, unsere Gemächer. Bis dahin: meine. Kommen Sie in den Salon, sobald Sie fertig sind. Sie haben einen ereignisreichen Tag hinter sich, weswegen wir unser Hochzeitsdiner privat einnehmen. Ich hielt es nicht
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