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Nacht des Verfuehrers - Roman

Nacht des Verfuehrers - Roman

Titel: Nacht des Verfuehrers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Joyce Gabi Langmack
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ihr Gesicht war keinesfalls eine Enttäuschung.
    Alcy hatte schon als Kind gewusst, dass ihre Eltern sich für ihre einzige Tochter eine illustre Partie wünschten, und als sie zu einer strahlenden jungen Frau herangewachsen war, hatten sie klargestellt, dass sie sich mit nichts weniger als einem Lord zufriedengeben würden. Bei meinem Gesicht und meiner Figur, beim Vermögen meines Vaters und den weitläufigen Beziehungen meiner Mutter, wer hätte da gedacht, dass ich scheitern könnte?, dachte Alcy grimmig. Es hätte nur einer Spur von Anmut, einer Unze an Diskretion bedurft, und – bei Gott – sie hätte freie Wahl unter den Junggesellen der feinen Gesellschaft gehabt, egal, ob das Tafelsilber ihres Vaters nun vom Ruch des Handeltreibens getrübt war oder nicht. Stattdessen war sie in der Peripherie der gehobenen Kreise stecken geblieben, hatte als schön, aber nicht charmant gegolten, und ihr Intellekt hatte im Verdacht gestanden, für eine Lady zu scharf zu sein. Sie hatte von ihren Schwächen gewusst, aber nicht die Kraft besessen, sie zu beheben, und tief in ihrem Herzen hatte sie sich gefragt, ob ein rebellischer, unschicklicher Teil von ihr es womöglich gar nicht wollte.
    Alcy runzelte die Stirn, als Celeste ihr jetzt wieder glänzendes schwarzes Haar zum letzten Mal zu mädchenhaften Seitenlocken drehte. Würde auch der Baron sie verschmähen, wenn er erst herausgefunden hatte, zu welchem Preis er sich seinen Teil der Mitgift erkauft hatte? Sie hegte keine Zweifel, dass er das Geld brauchte – alles hier zeugte
von Alter und Verfall. Sie konnte nur hoffen, dass seine Not groß genug war, um der Dankbarkeit gegenüber seiner frisch angetrauten Gattin eine große Dosis Nachsicht beizumischen.
    Celeste plapperte nervös, und Alcy antwortete einsilbig. Sie wusste, dass ihre Zofe ihr eine gespielte Gelassenheit ebenso wenig abgenommen hätte, wie sie ihr die ihre. Alcy zog den Morgenmantel aus und stand still da, während Celeste an den Korsettschnüren zurrte und zog, dabei etwas vor sich hinmurmelte und wieder zurrte und zog, bis Alcy schon glaubte, sie wolle ewig so weitermachen.
    »In Ohnmacht zu fallen mag ein Anzeichen von Feinfühligkeit sein, aber ich bezweifle wirklich, dass eine Braut es gleich über der Suppe tun sollte«, protestierte Alcy, als sie kaum noch atmen konnte.
    Celeste kicherte und hörte auf. Dann griff sie sich den ersten von einem halben Dutzend Unterröcken, um ihn vorsichtig über Alcys perfekt onduliertes Haar zu ziehen. Dann kam das Gewand. Wie alle ihre Kleider war es ein exzellentes Beweisstück für die Leistungskraft von Vaters Mühlen. Als Kind hatte sie sich dagegen gewehrt, wie eine lebende Schneiderpuppe herumzulaufen, aber inzwischen fand sie die Künstlichkeit beruhigend, als sei sie eine Schauspielerin, die tagtäglich ihr Kostüm anzog, um eine ihr wohlvertraute Rolle zu spielen.
    Das Kleid war von einem tiefen lebendigen Türkis, welches das Grün ihrer Augen und ihren zarten Teint gut zur Geltung brachte. Die Seide war in raffinierte Falten gelegt und mit schwarzem Samt akzentuiert, ganz im Stil der neuesten steifen, von der Gotik inspirierten Mode. Der Rock bauschte sich über den Schichten von Unterröcken
und streifte den Boden, das modisch breite Dekolleté enthüllte nur die zarteste Andeutung ihres Busens, und das Oberteil schmiegte sich in scheuer Sittsamkeit um ihre Kurven. Die aktuelle Mode wollte sowohl die Zierlichkeit der Frau als auch die eigene Nutzlosigkeit unterstreichen, und auch wenn Alcy sich längst daran gewöhnt hatte, schien es ihr, als wolle die Mode mit ihren strikten Regeln sie nur wieder an das erinnern, was sie nie werden würde.
    Alcy wählte den passenden Schmuck und zog Strümpfe und Schuhe an. Dann knöpfte und zupfte und straffte Celeste wieder an ihr herum, als könne sie mit ihren Bemühungen Alcys Scheitern kompensieren. Schließlich erklärte sie ihre Schutzbefohlene für fertig. »Sie werden das wunderbar hinbekommen, Mademoiselle«, sagte sie mütterlich, als sei sie ein Vierteljahrhundert älter als Alcy und nicht zwei Jahre jünger.
    »Danke, Celeste«, erwiderte Alcy und widerstand der Versuchung, ihrer Zofe aufzuzählen, wie oft sie das schon gesagt und sich geirrt hatte.
    Celeste huschte aus dem Zimmer und zog sich nach unten in ihr neues Quartier zurück. Alcy starrte die Schlafzimmertür an, straffte die Schultern und holte tief Luft. Celeste, die gerade durch die Tür verschwunden war, hatte für heute Abend ihre

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