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Nacht des Verfuehrers - Roman

Nacht des Verfuehrers - Roman

Titel: Nacht des Verfuehrers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Joyce Gabi Langmack
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war, und in der Regel war das ja auch keiner.
    Sie beobachtete die Reaktion der Männer, mit denen er redete, und sah den Enthusiasmus wie eine ansteckende Krankheit jeden erfassen, der zu ihm Kontakt hatte. Zweifel, Stirnrunzeln und Kopfschütteln lösten sich in Luft auf, und weißhaarige Männer nickten und lachten und strahlten, als seien sie verzückte, fröhliche Kinder. Es musste sich um eine Art Zauber handeln, entschied Alcy. Und wie es schien, war keiner dagegen immun. Selbst wenn der Effekt nach kurzer Zeit nachgelassen hätte, wäre es immer noch ein wirksames Instrument gewesen.
    Die wogenden goldenen Felder in den Tälern machten alsbald schwer tragenden Obstbäumen Platz, dichten Wäldern und offenem Weideland, das sich die Berghänge hinaufzog. Alcy ertappte sich dabei, wie sie beständig Spekulationen über Land und Leute anstellte – beides erstmals so real wie die riesigen Webstühle ihres Vaters und die Menschen, die an ihnen arbeiteten. Dumitrus Besitzung war wie eine große Fabrik, doch ihre Maschine war die Erde selbst, die in einem einzigen kontinuierlichen Prozess Rohstoffe und fertige Produkte hervorbrachte. Und doch war das Land mehr als nur eine Produktionsstätte; es war unfassbar schön. Felder und Bäume schienen die Straße von beiden Seiten förmlich zu umarmen, und vor ihnen wurde das Massiv eines größeren Bergs durch die Erde geschultert und beherrschte den Horizont auf eine schützende Art – wie ein alter steinerner Riese, der wohlwollend Wache stand. Kein Wunder, dass Dumitru dieses Land so liebt, dachte Alcy und betrachtete den hochgewachsenen stolzen Rücken des Mannes, der vor ihr auf seinem Pferd saß.

    Genau in diesem Augenblick bog Dumitru um eine Kurve und blieb stehen. Alcy sah sich einem Hang gegenüber, der sich an jener Stelle befand, wo die flacheren Ausläufer des Berges in das steilere Hauptmassiv übergingen. Doch anstatt von Wiesen und Wald bedeckt zu sein, war der Hang gerodet worden und trug quer verlaufende Stützmauern. Auf der dritten und derzeit obersten Terrasse arbeiteten Männer, die bis zu den Hüften schlammverspritzt waren. Als sie Dumitru sahen, grüßten sie respektvoll, kletterten über die Steinmauern und eilten nach unten zur Straße.
    Zuerst kam die unvermeidliche Vorstellungsrunde, dann ignorierten sie Alcy allesamt, und Dumitru vertiefte sich in die Diskussion. Endlich war geklärt, was immer sie besprochen hatten, und Dumitru wendete sein Pferd. Er ertappte Alcy dabei, wie sie ihn ansah.
    »Du langweilst dich«, sagte er, und das tanzende Licht in seinen Augen, das vom letzten Scherz mit seinen Männern stammte, wich einer reumütigen Miene.
    »Nein, ganz und gar nicht«, erwiderte Alcy automatisch. Und als er die Augenbrauen hochzog und sie ungläubig ansah, setzte sie hinzu: »Nun, nicht sehr jedenfalls. Zumindest wäre ich es nicht, könnte ich nur ein Wort verstehen, das gesagt wird.«
    Dumitru nickte in Richtung des Hangs hinter ihnen und lenkte sein Pferd zum Schloss zurück. »Wir haben über die Terrassen gesprochen.«
    »Hm«, sagte Alcy und war nicht klüger als zuvor. »Das dachte ich mir schon.« Sie dirigierte ihr Pferd neben das seine.
    Dumitru sah sie belustigt an, seine blauen Augen blitzten.
»Ich meine die Konstruktionsmethode. Es handelt sich um ein Experiment.« Als sie nicht reagierte, fuchtelte er mit der Hand ins Rund der Berge. »Severinor misst an der längsten Stelle hundert Kilometer und an der breitesten vierzig, und alles ist voller Berge. Während der letzten zweihundert Jahre ist die Hälfte des ackerbaren Landes der Wildnis anheimgefallen. Ein Großteil davon ist jedoch unbewohntes Gebiet. Anstatt die Leute umzusiedeln möchte ich die besten jener Hänge, die sich in Laufweite von bestehenden Dörfern befinden, nutzbar machen. Für den Getreideanbau legen wir Terrassen an, und die steileren Südhänge werden mit Weinstöcken und Maulbeerbäumen bepflanzt.«
    »Um eine wachsende Bevölkerung zu ernähren?«, riet Alcy.
    Dumitrus Lächeln war nur ein wehmütiges Zucken der Mundwinkel. »Um die vorhandene Bevölkerung besser zu ernähren.«
    »Oh.« Alcy drehte sich nach den Terrassen um. »Ich muss zugeben, dass ich nicht einmal weiß, wie dieses Gebirge heißt.«
    »Nun, dann lass mich der Erste sein, der dich in den Transsylvanischen Alpen willkommen heißt«, sagte er und machte eine einladende Geste mit dem Arm.
    »Alpen?«, wiederholte sie und betrachtete den Gipfel hinter ihnen. Er war baumlos, sicher,

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