Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nacht des Verfuehrers - Roman

Nacht des Verfuehrers - Roman

Titel: Nacht des Verfuehrers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Joyce Gabi Langmack
Vom Netzwerk:
sie überrollten und sie in ein dunkles Zeitalter zurückgeworfen wurden? Nein. Sein Weg war der einzige, der ihnen das Überleben sicherte, und nichts – nicht einmal diese brillante, naive Frau, die einfach so in seine Welt gestolpert war – war ihm wichtiger als das. Und doch, so seltsam es war, war ihm diese Frau bereits so wichtig, dass er sich erst wieder auf seinen Weg besinnen musste.
    »Komm heute Nachmittag mit mir auf die Felder«, sagte er, um seine Überlegungen abzuschließen. »Du musst meine Leute kennenlernen und das Schloss und das umliegende Land natürlich auch.«
    Alcyones Augen weiteten sich vor Überraschung, doch sie willigte prompt ein. »Früher oder später muss ich ja wohl aus meinem Versteck herauskommen, und früher ist besser als später.«
    »Hervorragend.« Ein Blick auf ihren Teller zeigte ihm, dass er so leer war wie seiner, und er stand auf. »Wenn du dein Reitkostüm anziehen würdest?«
    »Selbstverständlich«, sagte sie schnell und erhob sich gleichfalls. »Es dauert nur eine Minute.«
    Als sie aus dem Zimmer war, kam er nicht umhin, sich einzugestehen, dass sein nachmittäglicher Ausritt mit ihr an seiner Seite um vieles erfreulicher sein würde.

Kapitel 8
    Dumitrus hastige Besichtigungstour ließ Alcy mit gemischten Gefühlen zurück. Das Herrenhaus – wie er den zentralen Festungsbau mit den drei Flügeln nannte – war geräumig und an manchen Stellen sogar romantisch. Aber die Romantik ging so oft mit Profanem einher, dass Alcy nicht wirklich eingenommen war. Unterhalb der Privatgemächer des Grafen im Obergeschoss der Feste lagen zwei Stockwerke, welche die Schlafzimmer der Kinder und der Gäste beherbergten. Das Erdgeschoss war der Dreh- und Angelpunkt des Herrenhauses, von hier zweigte der Küchenflügel ab mit den Dienstbotenquartieren darüber; dazu kamen die Große Halle, die Speisekammer, das Lager und Dumitrus Studierzimmer; und dann die Nebengebäude. Die Nebengebäude, so teilte Dumitru ihr mit, hatten der Familie von der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts, als die Feste erbaut worden war, bis ins Jahr 1801 als Privatwohnungen gedient. Nachdem Dumitrus Großvater die Besitzung geerbt hatte, war er mit seiner Familie in den Hauptturm gezogen.
    »Warum grenzt die Kapelle an ein Nebengebäude?«, fragte Alcy und spähte in den vertrauten Gang, der den Flügel durchmaß. »Ich dachte, diese Anordnung sei eher im Mittelalter üblich gewesen und nicht in der Renaissance.«

    Dumitru lächelte, die Augen vor eisiger Belustigung blitzend. Ihr fiel wieder auf, wie gut aussehend er war – das sonderbar dunkel gesträhnte Haar und die schrägen blauen Augen verliehen ihm eine alterslose, unirdische Anmutung. »Generell schon, auch wenn uns die Renaissance hier nicht wirklich erreicht hat«, stimmte er zu. »Allerdings mussten sich unsere bescheidenen Vorfahren mit einer schlichten Holzkapelle an der Außenmauer zufriedengeben, die sowohl dem Dorf als auch dem Schloss gedient hat, bis sie schließlich abgebrannt ist. Also hat der Architekt dieses Flügels beschlossen, den Mangel an Eleganz zu beheben und die Kapelle in den neuen Anbau zu integrieren. Zum Glück hat er die Umsicht besessen, einen Seiteneingang einzubauen, damit die Bauern nicht jede Woche mit ihren dreckigen Stiefeln über den Gang in die Kirche trampeln müssen.«
    Sie traten zusammen durch das Haupttor in einen strahlenden Spätsommertag hinaus. Alcy drehte das Gesicht in den Wind und versicherte sich, dass ihr Hut es vor der Sonne schützte.
    Dumitru zeigte ihr die Stallungen und die Scheunen, die einen Hof vor dem Hauptturm umstanden. Die beiden Scheunen waren so neu, dass die Wände noch vom frischen Kalk glänzten, und die Schindeldächer leuchteten in der goldenen Sonne.
    »Hier überwintert das Vieh«, erklärte Dumitru, und während der Stallbursche losmarschierte, um ihre Pferde zu satteln, betrachtete er die beiden Scheunen mit einer solchen Befriedigung, dass Alcy sich verpflichtet fühlte, etwas zu sagen.
    »So«, sagte sie, weil ihr nichts anderes einfiel.

    Er sah sie mit schiefem Lächeln an. »So«, wiederholte er. »Du hast nicht die leiseste Ahnung, was das alles zu bedeuten hat, oder?«
    Alcy ärgerte sich. »Und du hast nicht die leiseste Ahnung, was es bedeutet, in eine Maschine einen zweiten Zylinder einzubauen, oder?«, erwiderte sie automatisch.
    Dumitru sah einen Moment lang verblüfft aus, und Alcy biss sich auf die Zunge und verfluchte ihre übereilte Erwiderung. Aber dann

Weitere Kostenlose Bücher