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Nacht des Verfuehrers - Roman

Nacht des Verfuehrers - Roman

Titel: Nacht des Verfuehrers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Joyce Gabi Langmack
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zu dieser Kapitulation bereit gewesen wäre.
    Ich schaffe das, ich muss es schaffen. Sie dachte an nichts anderes mehr als an das Ufer, das an ihnen vorbeiglitt, während sie sich ihm unerträglich langsam näherten; Wut und Schmerz ließen sie weiterschwimmen, während ihre letzte Kraft schwand.
    Dummes Weib, geiferte Dumitru im Geiste. Sie strampelte vor ihm im Wasser herum, während ihr Pferd sich mit allen Kräften abmühte, aber ständig von ihren langen Röcken behindert wurde, die sich entweder blähten oder sich ihm um die Beine hedderten, während Alcy wild um sich trat. Ihr Kopf war gerade noch über dem Wasser, und Dumitru sah ihn ein kleines Stück tiefer sinken, was ihm eine schneidende Angst einjagte, die nicht zu dem herzlosen Zorn passte, den zu empfinden er sich entschieden hatte.
    Er schwamm schneller, sein Arm schmerzte vom ungelenken Griff an den Sattel, und seine Beine fühlten sich im eiskalten Wasser wie zwei Bleigewichte an. Er holte auf, aber nur Zentimeter. Es dauerte eine Ewigkeit, bis er fast
die Hand ausstrecken und nach ihren wogenden Röcken greifen konnte. Er zwang seine müden Glieder zur äußersten Anstrengung, um die Zeit gutzumachen, die es brauchte, um an Beys rechte Seite zu schwimmen, damit er direkt neben Alcy war, sobald er gleichauf war. Es mühte sich minutenlang verbissen weiter, doch sie schien ihn erst zu bemerken, als er ihr die Hand auf die Schulter legte.
    Sie starrte ihn mit einem derart giftigen Blick an, dass sein Magen sich zusammenkrampfte. Das Gesicht unter dem Hut war so blass, dass es fast transparent schien, nasse Strähnen klebten auf ihrer Stirn und seitlich am Gesicht. Ihre Augen blitzten zornig grün, ihre blutleeren Lippen pressten sich aufeinander, und doch war sie so schön, dass es ihm – dieser Farce zum Trotz – wehtat.
    »Alcy -«
    Sie wandte sich schweigend ab, eine wortlose Abfuhr. Die gegenüberliegende Uferseite war erheblich näher als die, von der sie gekommen waren, also biss er die Zähne zusammen und schwamm weiter, passte sich ihrem Tempo an und war bereit, sie aus dem Wasser zu ziehen, falls sie Raisins Satteldecke loslassen musste und abglitt.
    Aber Alcyone gab nicht auf, obwohl ihr Gesicht immer bleicher und ihre Miene immer erschöpfter wurde. Endlich bekamen die Pferde Boden unter die Hufe – zuerst seines, dann ihres. Sie schleppten sich allesamt zum Ufer, keuchend, jedoch aufrecht. Dumitru zwang seine tauben Beine, sein Gewicht zu tragen und Schritt zu halten. Alcy tat ihre ersten Schritte an Raisin geklammert, aber dann verlor sie den Halt, stürzte im hüfthohen Wasser und ging unter. Dumitru tauchte nach ihr, doch als er bei ihr war, stand sie schon wieder. Der Schlamm lief in braunen Rinnsalen
an ihr herunter, und sie hielt ein Messer in der Hand. Sie zielte damit nach ihm, stolperte aus dem Wasser und in Richtung Ufer.
    »Alcy, mach dich nicht lächerlich«, sagte er und ging auf sie zu – vorsichtig allerdings, denn sie hatte einen Ausdruck im Gesicht, den er noch nie zuvor an ihr bemerkt hatte: eine kalte leere Maske, hinter der alles Menschliche verschwand.
    »Nein«, sagte sie. Sie hatte beim Sturz den Hut verloren, und das Haar fiel ihr in einem langen nassen Zopf bis zur Hüfte. »Dieses eine Mal in meinem Leben handle ich durch und durch vernünftig.«
    »Du bedrohst mich mit einem Messer«, erwiderte er und konnte immer noch nicht glauben, was da geschah. »Mit meinem eigenen Messer«, setzte er hinzu, als das Sonnenlicht auf das emaillierte Muster auf dem Knauf fiel. Seine Pariser Freunde hätten sich totgelacht, dachte er bitter. Und es hätte ja auch zum Totlachen sein können, wäre nur irgendetwas daran witzig gewesen.
    »Ich habe nicht vor, dich zu töten«, erklärte Alcy, als sei er ein Narr. »Aber dich mit diesem Ding zu bedrohen erscheint mir der einzige Weg, dich zum Zuhören zu bewegen. Gott weiß, dass du das bis jetzt nur höchst selten getan hast. Ich habe gehört, was du zu Herrn Volynroskyj gesagt hast. Über mein Geld.«
    »Ich weiß«, sagte Dumitru mit einem Anflug von Verärgerung.
    »Ich dachte, dir läge etwas an mir«, sagte sie leise. »Ich dachte, uns verbände etwas – Vertrauen, Freundschaft, wenn nicht gar mehr.«
    »Aber das tut es ja«, erwiderte er, wobei seine Wut zurückkehrte.
»Zumindest bis du dir in den Kopf gesetzt hast, vor mir davonzulaufen.«
    Alcys Maske barst, und ihr Gesicht verzerrte sich vor Kummer und Zorn. »Du hattest vor, mich zu bestehlen! Ich weiß sehr wohl,

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