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Nacht des Verfuehrers - Roman

Nacht des Verfuehrers - Roman

Titel: Nacht des Verfuehrers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Joyce Gabi Langmack
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ich nehmen die Verpflegungsreserve und reiten allein weiter.« Bogdan war Dumitrus bester Fährtenleser – ein Spezialist, wenn es darum ging, menschliche Spuren zu lesen, seien es die von einzelnen Banditen, ganzen Karawanen oder kleineren Armeen. Er hatte Alcys Fährte ohne Weiteres gefunden, als selbst die Hunde nur noch verwirrt herumgelaufen waren.
    »Wenn du es so willst«, sagte Volynroskyj. »Die Osmanen werden vor Lachen brüllen, wenn sie das hören.«
    »Nun, dann erzählst du es ihnen eben nicht«, geiferte Dumitru.
    Volynroskyj zuckte die Achseln, und sie ritten schweigend weiter.
     
    Am Nachmittag des dritten Tages erreichte Alcy die Donau – ein großer schlammiger Fluss, der mehrere hundert Meter breit war und sich auf seinem Weg zum Schwarzen Meer träge durch die Wildnis wälzte. Als Raisin durch das Unterholz brach und ans Ufer trat, sank Alcy ein wenig der Mut, denn sie hatte entgegen aller Vernunft gehofft, bei Orsova auf den Fluss zu treffen. Sie wusste nicht, wie sie hätte feststellen können, ob das kleine Städtchen nun flussaufwärts oder flussabwärts lag, und vermochte sich auch nicht mehr zu erinnern, wie weit flussaufwärts sich die nächste Siedlung befand.
    Sie führte Raisin auf eine vorgelagerte Sandbank und stieg ab. Die Zügel um das Handgelenk gewickelt ging sie in die Knie, zog die Handschuhe aus und spritzte sich das eiskalte Wasser ins Gesicht. Es betäubte ihre Nase und Wangen und roch nach Fisch und Schlamm, doch das war ihr egal. Sie war schmutzig und erschöpft, das kalte Wasser
belebte sie ein wenig und verschaffte ihr zumindest die Illusion eines Bades. Ihr Körper schmerzte von der gnadenlosen Enge des Korsetts, das sie jetzt seit drei Tagen ohne Unterlass trug. Sie wagte nicht, es zu lockern, denn sie würde es ohne fremde Hilfe nicht so fest schnüren können, dass sie in ihre Kleider passte. Und sie musste präsentabel aussehen, wenn sie die Stadt erreichte, da sie ja eine Unterkunft und ein Boot anzumieten hatte und – bitte, lieber Gott – eine Zofe finden wollte, die ihr aus diesem Gefängnis heraushalf, damit sie sich waschen konnte – mit warmem Wasser – und sich bequem ins Bett legen konnte.
    Nach einer Weile erhob sie sich und wühlte in einer der Satteltaschen nach etwas Essbarem. Ihre Beine zitterten beim Absteigen nicht mehr, auch wenn sie wegen der ungewohnten Anstrengung wehtaten. Ihr Magen schmerzte von einem Hunger, der fast schon zu einem Teil von ihr geworden war, aber sie hatte solche Angst, der Proviant könnte ihr ausgehen, dass sie jedes Mal, wenn sie anhielt, nur ein paar Bissen hinunterwürgte. Genau das tat sie jetzt auch, während Raisin trank. Schließlich zog Alcy einen Striegel aus der Tasche, machte sich an Raisin zu schaffen und kam sich dumm und nutzlos vor, doch sie wusste nicht, was sie sonst hätte tun sollen. Sie hatte, als sie am gestrigen Abend abgestiegen war, eine Sattelwunde auf Raisins Rücken entdeckt und war in Tränen ausgebrochen. Irgendwie musste sie den Sattel falsch aufgelegt haben, obwohl sie sich so bemüht hatte, es so zu machen wie die Stallburschen, aber nun musste Raisin wegen ihrer Inkompetenz leiden. Sie hatte das Pferd gestriegelt, bis ihre Arme sich wie Bleigewichte angefühlt hatten, die keinen Strich mehr taten. Dann hatte sie sich hingesetzt, die Arme um
den Oberkörper geschlungen und noch lauter geweint – um Raisin, um sich selbst, aber vor allem um Dumitru -, und erst spät in der Nacht hatte ihr Schluchzen so weit nachgelassen, dass sie ein Lager richten, ein Bissen Brot essen und sich schlafen legen konnte.
    Heute fühlte sie sich einfach nur abgestumpft – tot für alles, bis auf die Schmerzen und die Erschöpfung, die ihre ständigen Begleiter waren. So kam es, dass sie auch nicht zusammenzuckte, als sie plötzlich ein Geräusch im Unterholz hörte – im Gegensatz zu gestern, als sie sich bei jedem Kaninchen, Ziegenbock, Zaunkönig oder Rotwild erschreckt hatte. Sie sah sich einfach nur um, und als sie etwas Farbiges aufblitzen sah, ging ihr die Bedeutung nicht sofort auf.
    Doch dann überrollte sie die Erkenntnis mit einer grässlichen Kälte – diesmal war es kein Wild, sondern ein Mann auf einem Pferd. Sie stürzte bereits auf den Sattelknauf zu, als die Reiter in Sicht kamen.
    Dumitru. Es fühlte sich wie das Bild aus einem Traum an und wie ein Messerstich in die Eingeweide. Hinter ihm tauchte ein weiterer Mann auf, den sie vage aus dem Schloss zu kennen glaubte, doch ihre

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