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Nacht des Verfuehrers - Roman

Nacht des Verfuehrers - Roman

Titel: Nacht des Verfuehrers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Joyce Gabi Langmack
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die Hand nach ihr aus, sie warf den Zopf über die Schulter nach vorn, packte ihn am Ende und sah Dumitru unter Tränen an. »Aber so muss es nicht sein. Schönheit ist nicht für die Ewigkeit. Wenn du mich liebst , weil ich schön bin, wirst du mich vergessen, sobald ich es nicht mehr bin.«

    Und damit wendete sie das Messer in ihrer Hand und säbelte wortlos den Zopf ab. Er lief auf sie zu, doch es war schon passiert, und sie ließ den Zopf achtlos zu Boden fallen. Dann stieß sie einen wütenden Schrei aus und richtete das Messer gegen ihr Gesicht.
    Er stürzte sich auf sie, durch den Zusammenprall flog ihr das Messer in hohem Bogen aus der Hand. Sie landeten hart auf dem schmutzigen Boden, und Dumitru spürte die Luft aus ihren Lungen weichen, als er auf ihr zu liegen kam.
    Mit ihrer Gelassenheit war es jetzt völlig vorbei. Sie hämmerte mit den Fäusten auf ihn ein, weinte und trat. Er packte sie bei den Händen und biss die Zähne zusammen, als ihre Faust mit einer solchen Wucht seine Nase traf, dass ihm das Wasser in die Augen schoss. Aber das Ergebnis stand fest, und es war in Sekunden vorüber. Er packte zuerst ein Handgelenk, dann das andere und hielt ihre Beine mit seinem Körpergewicht fest, während ihr Weinen langsam die hysterische Note verlor, bis sie schließlich mit geschlossenen Augen unter ihm lag, matt vor Erschöpfung, während die Tränen unter ihren geschlossenen Lidern herausliefen.
    Und das war das Schrecklichste von allem.
    »Komm schon, Alcy«, sagte er, die Stimme unerklärlich heiser. »Wir lassen die Pferde ein bisschen rasten, und dann gehen wir nach Hause.«
    »Sie glauben, dass Sie nach Hause gehen!« Es war Serbisch, aber die Worte drangen sofort zu ihm durch. Dumitru riss den Kopf hoch und sah eine Reihe Männer am Rand der Baumlinie stehen, die eine Hälfte auf struppigen Ponys, die andere zu Fuß. Sie brachen in Gelächter aus, als habe jemand einen guten Witz gemacht.

    »Wer sind die?«, flüsterte Alcy. Die Augen standen groß und ängstlich in ihrem bleichen Gesicht.
    »Hajduken«, sagte er knapp.
    Hajduken. Alcy hätte nicht gedacht, dass sie noch genug Energie übrig hatte, um sich zu fürchten, doch das war ein Irrtum. Die grobschlächtigen Männer, die vor Waffen nur so strotzten, grinsten sie unverhohlen an und beäugten sie auf eine Art, die ihr nur allzu bewusst machte, dass Dumitru auf ihr lag und sich ihr die durchnässten Röcke über die Knie hochgeschoben hatten und an ihren Schenkeln klebten. Sie dachte an das ein paar Meter entfernte Messer und an die Pistole, die mit den Satteltaschen untergegangen war, auch wenn sie ohnehin nutzlos gewesen wäre, nachdem sie im Fluss nass geworden war. Sie schaute Dumitru in die Augen und sah so etwas wie Solidarität – sie beide gegen die Hajduken, wenn schon nicht im Kampf, dann im Geiste. Sie drehte sich weg. Sie war reich; so sehr sich diese Banditen in Positur warfen, sie würden ihr nichts tun, das hatte Dumitru ihr selbst erzählt. Wenn er sie überrumpelte, drohte ihr nichts als lebenslanges Gefängnis. Da zahlte sie lieber Lösegeld.
    »Aufstehen!« Einer der Hajduken sprach Deutsch. Es war das erste Wort, das sie verstanden hatte.
    Dumitru gehorchte langsam und widerwillig. Alcy kam unsicher auf die Füße, nachdem er sich hochgestemmt hatte, und nutzte die Gelegenheit, sich auf das Messer zuzubewegen und den Abstand zu den Männern, aber auch zu Dumitru, zu vergrößern. Bey und Raisin waren weit weg. Alcy stand allein am Rand des Wassers und konnte nirgendwohin, sie wäre innerhalb von Minuten ertrunken. Sie sah die immer noch grinsenden Kerle und war verunsichert.
Woher wollte Dumitru wissen, dass sie alle reichen Christen um Lösegeld erpressten? Die, die sie nicht erpressten, verschwanden vielleicht einfach auf Nimmerwiedersehen. Plötzlich war sie sich nicht mehr so sicher, ob Ertrinken nicht doch die bessere Alternative war, als sich diesen Männern auszuliefern.
    Einer der Hajduken schien ihre Gedanken erraten zu haben, denn er rief etwas in der fremden Sprache, und der Mann mit der Fellmütze, der vorhin Deutsch gesprochen hatte, übersetzte: »Geh vom Fluss weg.«
    Sie wünschte, sie hätte den Mut, dass Messer zu packen, tat aber, wie befohlen. »Sagt eure Namen und was ihr hier macht«, fuhr der Mann fort. »Und lasst euch einen guten Grund einfallen, damit wir euch nicht töten.«
    Das war es. Ihre einzige Chance, sich von Dumitru zu befreien und sich seitens der Hajduken gute Behandlung zu sichern.

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