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Nacht des Verfuehrers - Roman

Nacht des Verfuehrers - Roman

Titel: Nacht des Verfuehrers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Joyce Gabi Langmack
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Sie holte tief Luft, ihr Herz pochte schwer.
    »Mein Name ist Alcyone Carter, und ich bin eine Lady aus England. Dieser Mann hat mich entführt und wollte mich zwingen, ihn zu heiraten, damit er meinem reichen Vater meine Mitgift abnehmen kann. Mein Vater wird sehr dankbar sein, wenn ich gesund und mit intakter Tugend zurückkehre …« Ihre Stimme zitterte etwas, und sie betete, dass die Männer es ihrer mädchenhaften Scheu zuschrieben und nicht ihrer erbärmlichen Feigheit, um die es sich in Wirklichkeit handelte. »Und ich weiß, dass die Belohnung genauso groß wie seine Dankbarkeit ausfallen wird.«
    Der Mann mit der Fellmütze brach in Gelächter aus, und nachdem er ihre Antwort übersetzt hatte, stimmten auch die anderen ein; alle röhrten vor Vergnügen und rissen
weitere unverständliche Witze, die noch mehr Gelächter provozierten. Alcy riskierte einen Blick in Dumitrus Richtung. Sein Gesicht war so weiß wie sein Hemd, und zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, völlig ausdruckslos und leer. Die Hajduken verstummten plötzlich, und Alcy sah, dass ihr Anführer – insofern sich das aus dem etwas größeren Pony und den nicht ganz so schäbigen Kleidern schließen ließ – sie beide forschend ansah.
    »Und was hast du zu sagen?«, fragte der Übersetzer mit der Fellmütze.
    »Ich bin Gavril Popescu«, erklärte Dumitru mit offenkundigem Unmut. »Ich bin Bojare. Mein Herr wird mich freikaufen.«
    Alcy war sich bewusst, dass die Hajduken sie angafften, und zeigte keine Reaktion. Wenn er es für sicherer hielt, sich als jemand anderer auszugeben, würde sie ihn nicht verraten, solange er ihre Pläne nicht durchkreuzte.
    Der Anführer murmelte etwas Boshaftes in seiner Muttersprache, und Dumitru antwortete sofort und absolut flüssig in derselben Sprache. Sein Ton triefte vor Verachtung. Alcy hatte plötzlich große Angst und sah den Anführer an, der allerdings lächelte.
    »Dann sei es, wie du sagst«, sagte der Übersetzer. »Aber wenn ihr lügt, wird es euch beiden übel ergehen. Wir bringen euch zu unserem Knez . Dann seid ihr sein Problem, und er wird entscheiden, was er mit euch anstellen will.«
    Der Anführer nickte zweien seiner Männer zu, die mit Seilen in den Händen auf sie zukamen. Alcy wurde um ihre Taschenuhr erleichtert, Dumitru um einen Satz nutzloser Pistolen, aus denen das Wasser lief, sowie um den Inhalt seiner Taschen. Sie schienen nicht zu glauben, dass
Alcy noch etwas von Wert dabei haben könnte. Dann fesselten sie ihnen die Hände auf dem Rücken. Sie fingen die Pferde ein, hievten die beiden hinauf und führten die Tiere am Zügel über verborgene Pfade vom Fluss weg.
    Es ist vorbei, sagte sich Alcy. Sie werden mich behalten, bis mein Vater das Lösegeld schickt, und dann machen ich und mein Pflichtteil uns auf den Weg nach England.
    Aber irgendwie konnte sie nicht so recht daran glauben.

Kapitel 14
    Die Erschöpfung setzte Alcy zu, die kalte Luft machte ihre nassen Kleider klamm und eisig und raubte ihr jede Wärme, bis sie unkontrollierbar zitterte. Doch trotz der Müdigkeit beobachtete sie die Hajduken und den Weg, den sie nahmen, mit fast übernatürlicher Wachsamkeit, als verliehe die körperliche Schwäche ihren Sinnen seltsame Fähigkeiten. Jedes Objekt schien scharfe Kanten zu haben, die förmlich die Luft schnitten, und die Farben leuchteten mit unnatürlicher Brillanz. Sie konnte bei dem Mann, der ihr Pferd führte, jedes Haar erkennen; sie hörte bei den einzelnen Silben der Fremdsprache, in der die Männer sich unterhielten, jede Betonung mit absoluter Klarheit heraus. Aber das alles half ihr rein gar nichts. Die Männer ritten oder marschierten langsam, und ihr blieb nichts anderes übrig, als ihnen zu folgen.
    Sie wagte nicht, Dumitru anzusehen. Allein der Gedanke an ihn erweckte etwas Hysterisches in ihr. Er hatte gesagt, er liebe sie. Liebe sie! Als hätte er eine Ahnung, was Liebe war! Er hatte seinen Betrug zugegeben, dieser Dieb, und die Frechheit besessen, gleichzeitig von Liebe zu sprechen. War er denn dumm genug zu glauben, dass mit einem Mal alles gut werden würde, wenn er nur dergleichen sagte? Oder hatte er es auf seine verdrehte Art sogar ernst gemeint? Wie er es nur schaffte, an Liebe zu
glauben und gleichzeitig seinen Betrug zu rechtfertigen. Bewahrte er beides in separaten Kammern auf, so wie seine anderen Widersprüchlichkeiten auch, damit sie nicht kollidierten?
    Sie wollte nicht darüber nachdenken. Es schmerzte sie zu sehr. Und es bestand ja auch

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