Nacht im Kerker
Gebäude. Die Fenster im obersten Geschoss waren vergittert. »Seht mal, das istdie Rückseite der Polizeiwache. Ich hätte nie gedacht, dass wir uns einmal um Reynolds Sorgen machen müssen.« Vor dem Gebäude bewässerte ein Gärtner die kleine Rasenfläche. Die drei blickten nachdenklich nach oben. Plötzlich bemerkten sie, wie ein länglicher Gegenstand aus einem der vergitterten Fenster geworfen wurde. Der Gegenstand drehte sich ein paar Mal in der Luft und landete schließlich direkt vor Peters Füßen. Verwundert hob er ihn auf und blickte unsicher zum Gärtner. Doch dieser hatte anscheinend nichts bemerkt und goss weiter den Rasen. »Was ist das?«, fragte Bob leise. »Keine Ahnung«, antwortete Peter. »Das ist irgendein langes Ding, um das jemand ein Papier gewickelt hat. Seltsam, scheint ein Löffel zu sein.« Justus interessierte sich mehr für den Zettel. »Seht doch! Da hat jemand etwas aufgekritzelt. Ja, es ist ein Brief.«
Hilferuf
Aufgeregt faltete Justus den Zettel auseinander.
»Was steht da drin, Just?«, flüsterte Bob, als ob er Angst hätte, jemand könnte sie beobachten. Nervös gingen sie eine Straße weiter. Dann begann Justus, den Brief leise vorzulesen: » ›Ich brauche eure Hilfe. Vertraut niemandem. S. R. ‹«
Peter nahm Justus das Papier aus der Hand. »Mit S. R. kann ja wohl nur Samuel Reynolds gemeint sein, oder?« Bob schnappte wiederum Peter den Brief weg. »Du bist echt der Oberschlaukopf. Natürlich ist das von Reynolds. Der muss uns eben aus dem ersten Stock der Polizeiwache erkannt haben. Dann kritzelt er schnell das hier hin, benutzt einen Löffel zum Beschweren und schmeißt uns das Ganze vor die Füße. Hinter den Fenstern müssen sich die Zellen für die Untersuchungshaft befinden.« Justus nickte. »Das stimmt. Denn der richtige Kerker ist im Keller, das wissen wir. Oh, Mann! Was bedeutet das alles?« Bob sah um die Ecke und warf einen Blick auf den Gärtner. »Das bedeutet, dassder Kommissar reichlich in der Tinte sitzen muss. Wenn der Typ mit seinem Gartenschlauch nicht wäre, dann könnten wir zu dem Fenster hochrufen.« Peter las noch einmal die Zeilen vor. »Wirklich seltsam. Reynolds schreibt, dass wir niemandem vertrauen sollen. Wieso sucht er Hilfe bei uns und nicht bei einem Anwalt?« Justus knetete seine Unterlippe. Das tat er, wenn er scharf nachdachte. »Der Fall wird immer komplizierter. Reynolds muss ahnen, dass ihm auch kein Anwalt großartig helfen kann. Alle haben gesehen, wie ihm die Kette aus der Jacke gerutscht ist. Ein Anwalt wird höchstens versuchen, für den Kommissar mildernde Umstände herauszuschlagen. Reynolds will aber seine Unschuld beweisen.« Peter sah seinen Freund mit großen Augen an. »Und wieso könnten gerade wir dabei helfen?«
»Weil wir gute Detektive sind. Es muss noch etwas geben, das übersehen wurde. Bisher glaubt die Polizei, dass es sich folgendermaßen zugetragen hat: Ein Gangster dringt in das Geschäft vom Juwelier ein. Er sprengt den Safe auf, und Mister Pendelton wird vonder Wucht umgehauen. Der Kommissar rettet ihn und entdeckt dabei die goldene Kette mit den Brillanten. Ohne nachzudenken, greift er zu und steckt sich das teure Ding einfach in die Jacke. Anschließend rennt der Räuber auf das Dach und flüchtet mit einem Hubschrauber.« Bob lehnte sich an eine Hausmauer. »Das klingt wirklich alles logisch. Der Richter wird den Fall in drei Minuten entscheiden: Schuldig!«
»Genauso wird es kommen«, stimmte ihm Justus zu. »Uns bleibt nicht viel Zeit, um Beweise für Reynolds’ Unschuld zu finden.« Peter faltete das Papier zusammen. »Und was ist, wenn wir den Brief einfach der Polizei zeigen? Wem sollen wir denn sonst vertrauen?« Bob nahm ihm den Zettel wieder weg. »Niemandem! Hier steht es doch. Reynolds wird das nicht ohne Grund geschrieben haben.«
Justus sah das genauso. »Ja. Wir sind anscheinend die letzte Chance für den Kommissar. Besuchen dürfen wir ihn ja nicht. Darum müssen wir jetzt auf eigene Faust ermitteln. Ich schlage vor, wir gehen noch mal zum Tatort.«
Der Marktplatz war in der Nachmittagshitze wie leergefegt. Vor dem Haus des Juweliers hatte man ein rotweißes Flatterband gespannt. Polizeiabsperrung war darauf zu lesen. Justus kümmerte sich nicht darum und krabbelte darunter durch. Dann klopfte er entschlossen gegen die kaputte Tür. »Mister Pendelton? Sind Sie wieder da? Wir haben ein paar Fragen an Sie.«
Schritte waren zu hören, und der Juwelier streckte verwundert seinen Kopf
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