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Nacht in Havanna

Nacht in Havanna

Titel: Nacht in Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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fügte Erasmo flüsternd hinzu.
    Tatsächlich verließen die Männer das Lokal, sobald sie ihre Gläser abgestellt hatten. Sie strömten nicht in Scharen nach draußen, sondern schlenderten zu zweit oder dritt unter der Neonsonne hindurch auf die dunkle Straße. Arkadi hörte die gedämpften Geräusche von zuschlagenden Autotüren und startenden Motoren. Mostowoi verschwand wie ein Schatten. Tico schob Erasmo hinaus, der seine Stirn auf eine Hand stützte wie Hamlet, der über seinen Optionen grübelte. Bald hielten sich nur noch die Belegschaft, Walls, O’Brien und Arkadi in dem paladar auf. »Jetzt gehören Sie zum Club«, sagte O’Brien. »Wie fühlt man sich dabei?«
    »Ein wenig seltsam.«
    »Nun, Sie sind ja auch erst sechs Tage hier. Um Kuba zu verstehen, braucht man ein ganzes Leben. Meinst du nicht auch, George?«
    »Unbedingt.«
    O’Brien rückte vom Tisch ab und stand auf. »Wie dem auch sei, ich muß los. Es ist fast Geisterstunde, und ich bin, offen gestanden, total groggy.«
    »War Pribluda in das hier verwickelt?« fragte Arkadi. »Wenn Sie es wirklich wissen wollen, kommen Sie morgen abend zu meinem Boot.«
    »Morgen abend fliege ich zurück nach Moskau.«
    »Es liegt ganz bei Ihnen«, sagte Walls und öffnete das Tor. Der Imperial glänzte am Straßenrand.
    »Was ist der Havana Yacht Club?« fragte Arkadi.
    »Was hätten Sie denn gern, was es ist?« erwiderte O’Brien. »Ein paar Typen, die mit einer Angelschnur rumhängen. Eine Ruine von einem Gebäude, das darauf wartet, von einem Zauberstab berührt und in hundert Millionen Dollar verwandelt zu werden. Eine Gruppe von Patrioten, Veteranen der Kriege ihres Landes, die zu einem geselligen Abend zusammenkommen. Es ist, was immer Sie wollen.«
     
    24
     
    Der DeSoto parkte vor dem Rosita. Ofelia war auf dem Zimmer. Sie lag eng zusammengerollt unter den Laken. Arkadi zog sich im Dunkeln aus, glitt neben sie und erkannte an ihrem Herzschlag, daß sie noch wach war. Er strich mit der Hand über ihre Brust und den Arm hinunter bis zu der Waffe in ihrer Hand. »Du bist zurück zu Lunas Lager gegangen.«
    »Ich wollte sehen, was er dort stapelt.«
    »Bist du allein gegangen?« fragte er und deutete ihr Schweigen als Bejahung. »Du hast gesagt, du würdest jemanden mitnehmen. Ich wäre mitgekommen.«
    »Es darf nicht sein, daß ich Angst habe, allein in ein Haus zu gehen.«
    »Ich habe oft Angst davor. Was hast du gefunden?« Sie beschrieb den Zustand des Centro Russo-Cubano, die Lobby und jeden Raum, den sie durchsucht hatte, die Ziege, die Tür zum Speisesaal und die Granate. Sie erzählte weiter, wie sie sich durch die Trümmer der Explosion in einen Speisesaal und eine Küche ohne Öfen, Gefriertruhen oder Kühlschränke vorgekämpft hatte, dann zurück in die Lobby gegangen war, die Leiter an die Galerie gelehnt und die Räume im Zwischengeschoß kontrolliert hatte, wobei sie jede Tür mit einem Besenstiel geöffnet hatte. Sie war auf keine weiteren Bombenfallen oder Ziegen gestoßen, nur auf ihre Exkremente und offene Gefäße mit russischer Haarpomade, die sie leergeleckt hatten. Mittlerweile war der verabredete Zeitpunkt im Park verstrichen, und als sie zum Havana Yacht Club gefahren war, war er nicht erschienen. Sie ließ die Waffe los, küßte ihn auf den Mund und sagte dann: »Ich dachte, du würdest gar nicht mehr kommen.«
    »Wir haben uns nur verpaßt, das ist alles.«
    Er nahm sie in die Arme und spürte, wie sie an ihm hinunterglitt.
    Kurz darauf war er in ihr, und sie umfing ihn. Ihre Zunge war süß, ihr Rücken hart, und wo sie sich trafen, war sie unendlich tief. Sie aßen Bananenbrot und tranken Bier dazu, während Arkadi Ofelia von seinem Besuch in Mostowois Apartment berichtete, wobei er nur das Feuer unerwähnt ließ. Vielleicht war sie empfindlich, was Brandstiftung anging. Er mußte lächeln. Sie war durch seine Verteidigungslinien hindurchgeschlüpft, ein kleiner Vogel auf Stacheldraht. Außerdem bereitete es ihm ein - morbides oder professionelles - Vergnügen, mit einer Kollegin zu sprechen. Und sie war eine Kollegin, auch wenn ihre Ansichten weniger aus einer anderen Welt als vielmehr aus einem anderen Universum zu stammen schienen. Sie war eine Kollegin, auch wenn sie im fahlen Licht nackt mit verschränkten Beinen vor ihm saß. »Es gibt Gebiete von Havanna, die seit Wochen ohne Strom sind, auch wenn das hier natürlich nicht drinsteht.« Sie wies auf die Zeitung, in die das Brot eingewickelt gewesen war. Auf dem

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