Nacht in Havanna
den ein so intelligenter Mann wie Sie nicht übersehen würde. Oder vielleicht doch, aber wir müssen vorsichtig sein. Denken Sie immer daran, daß ich das Ziel von mehr Polizeieinsätzen gewesen bin und in mehr Hinterhalte gelockt wurde, als Sie sich vorstellen können. Sie sollten übrigens beachten, daß die meisten unserer Freunde hier der russischen Sprache noch mächtig sind. Also passen Sie auf, was Sie sagen.«
Walls musterte Arkadis neue Kleidung. »Ein enormer Fortschritt.«
Die Köche nahmen Hummer aus einem riesigen Sack und plazierten sie auf ein Hackbrett neben dem Grill, wo die Tiere aufgeschnitten und die Unterseite ihrer Schwänze gereinigt wurde, bevor man sie lebendig auf den Grill legte und mit Stöckchen zurückstieß, wenn sie krabbelnd den Flammen zu entkommen suchten. Arkadi sah keine Speisekarten und kein afrikanisches Essen. Die beiden Kubaner an Arkadis Tisch schüttelten seine Hand, ohne sich vorzustellen. Einer war weiß, der andere ein Mulatte, doch sie hatten beide den Körperbau, den direkten Blick und die zwanghaft kurzgeschnittenen Fingernägel und Haare von Militärs.
»Was macht dieser Club?« wollte Arkadi wissen.
»Sie können alles machen«, erwiderte O’Brien. »Die Leute fragen sich, was mit Kuba passiert, wenn Fidel stirbt. Wird es ein karibisches Nordkorea? Oder wird die Bande aus Miami einfach zurückkehren und ihre alten Häuser und Zuckerrohrfelder beanspruchen? Wird die Mafia einfallen? Oder gibt es die totale Anarchie, ein zweites Haiti? Die Amerikaner fragen sich, wie Kuba ohne eine Infrastruktur von gelernten Betriebswirten und Managern überhaupt überleben will.«
Die Hummer waren riesig, die größten, die Arkadi je gesehen hatte. Sie verfärbten sich zwischen den Flammen und Funken rot.
»Aber das Schöne an einer Revolution ist«, fuhr O’Brien fort, »daß man sie nicht aufhalten kann. Man eliminiert die Privatwirtschaft. Man macht die Armee zum bevorzugten Karriereweg für idealistische junge Männer. Man schickt sie in Kriege im Ausland, ohne ihnen genug Geld zum Kämpfen zu geben. Man zwingt sie dazu, es sich selbst zu verdienen. Man läßt sie mit Elfenbein und Diamanten handeln, damit sie genug Munition haben, um sich zu verteidigen, und am Ende hat man eine interessante Gruppe junger Unternehmer. Dann läßt man die heimkehrende Armee in die Landwirtschaft, die Hotelbranche und die Zuckerindustrie gehen, weil es billige Arbeitskräfte sind. Man setzt Kriegshelden ein, um die Tourismus-, die Zitrusfrüchte- und die Nickelindustrie zu managen. Und ich kann Ihnen sagen, einen Vertrag mit einer Baufirma aus Mailand auszuhandeln, ist so gut wie zwei Jahre an der Harvard Business School. Die heute hier Versammelten sind die Creme de la creme.«
»Der Havana Yacht Club?«
»Der Name gefällt Ihnen«, sagte Walls. »Eine rein gesellschaftliche Angelegenheit.«
Als die ersten Hummer fertig waren, nahm ein Koch eine Glasschüssel mit Papierröllchen, entrollte vier von den Zetteln und las sie laut vor, bevor er den Hummer zu einem Tisch bringen ließ. Woher wußte der Koch, wer was bestellt hatte? Und warum gab es nur die Wahl zwischen Hummer oder keinem Hummer?
»Ich dachte, Privatrestaurants dürfen keinen Hummer servieren«, sagte Arkadi.
»Vielleicht ist heute abend eine Ausnahme«, erwiderte O’Brien.
Arkadis Blick fiel erneut auf Mostowoi. »Warum bin ich der neue Russe? Warum kann es nicht Mostowoi sein?«
»Dieses Unternehmen braucht mehr als einen Pornographen. Sie sind der Ersatz für Pribluda. Das kann jeder akzeptieren.« O’Brien schlug einen nachsichtigen Ton an. »Und Sie können das Foto, das Pribluda Ihnen geschickt hat, behalten. Es wäre nett gewesen, wenn Sie es als Zeichen Ihres Vertrauens irgendwann freiwillig herausgegeben hätten, aber jetzt gehören Sie zum Team.«
»Für dieses Foto ist Rufo gestorben.«
»Gott sei Dank, Sie sind mir viel lieber. Ich meine, es hat sich doch alles wunderbar gefügt.«
»Arbeiten einige dieser Leute hier vielleicht im Zuckerministerium? Haben einige von ihnen mit AzuPanama zu tun?«
»So haben wir uns kennengelernt, ja. Dies sind die Männer, die die Entscheidungen treffen, soweit irgend jemand außer Fidel überhaupt Entscheidungen treffen kann. Manche sind stellvertretende Minister, andere noch immer Generäle und Oberste, Männer, die sich ein Leben lang kennen und jetzt im Zenit ihrer Schaffenskraft stehen. Natürlich machen sie Pläne. Es ist ein normales menschliches Streben, sich
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