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Nacht in Havanna

Nacht in Havanna

Titel: Nacht in Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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überfährt, damit man abends nicht nach Hause gehen muß. Deshalb ist der Zwischenfall mit Rufo auch so interessant für mich, weil ich offenbar nichts dagegen habe, von einem Auto überfahren zu werden, aber absolut nicht damit einverstanden bin, wenn jemand versucht, mich zu überfahren. Ein feiner Unterschied, aber so ist es.«
     
    Als Ofelia in der Nacht aufwachte, waren die Liebespaare verschwunden und der Mond beschwichtigt. In der vollkommenen Windstille stieg ihr ein Dufthauch in die Nase, ein Parfüm, das sie zu Renkos weichem schwarzen Mantel zurückverfolgte, zu dem Ärmel des Mannes, der von sich behauptete, noch nie besessen gewesen zu sein.
     
    14
     
    Ofelia Osorio verließ ihn noch vor Anbruch der Dämmerung, und sobald sie gegangen war, erwartete Arkadi, daß Luna die Fassade des Gebäudes erklimmen oder durch den Luftschacht kriechen würde. Es war nicht so sehr, daß Arkadi der Kommissarin nicht traute, er verstand sie einfach nicht. Warum sie die Nacht auf einem Metallstuhl mit dem unbeliebtesten Russen der Insel verbringen wollte, war ihm ein Rätsel; es sei denn, sie arbeitete mit Luna zusammen und versuchte, sich in die Wohnung einzuschleichen. Und wenn das der Fall war, würde kein Schloß der Welt helfen.
     
    Um acht Uhr lag der Malecon im Licht der Sonne da wie eine beleuchtete Bühne. Jungen hockten im blauen Schatten der Mole und spulten Angelschnüre auf. Männer öffneten Kisten mit selbstgebastelten Haken und Gewichten, die sie zum Verkauf anboten. Ganze Familien rollten auf Fahrrädern vorbei, der Vater auf dem Sattel, ein Junge auf dem Lenker und die Mutter samt Baby auf einem Brett über dem Gepäckträger. Und noch immer kein Sargento Luna.
    Arkadi ging nach unten, klopfte jedoch, anstatt das Haus zu verlassen, vorsätzlich gegen den Rhythmus, der aus dem Radio der Werkstatt dröhnte, an Erasmos Tür, bis Tico ihm öffnete und ihn in Erasmos Privatquartier mit dem abgesägten Bett und Tisch führte. »Erasmo ist nicht da.« Tico trug einen Overall und hatte einen Reifenschlauch über der Schulter und eine Tropicola in der Hand. »Sie sprechen russisch?« brüllte Arkadi über den Lärm des Radios hinweg.
    »Ich spreche russisch«, bestätigte Tico und klang dabei, als wäre ihm das selbst gerade erst aufgefallen. Er war ungefähr genauso alt wie sein Freund Erasmo, doch die Zeit schien an ihm weniger Spuren hinterlassen zu haben, sein Haar war noch dunkel und dicht wie Fell, sein glattes, zutrauliches Gesicht noch nicht von Sorgen- und Altersfältchen gezeichnet.
    »Haben Sie was dagegen, wenn ich das Haus durch die Werkstatt verlasse?«
    »Von mir aus. Aber Sie können nicht zurückkommen. Die Werkstatt ist geschlossen.«
    Arkadi schob den Perlenvorhang beiseite. Tico hatte die Wahrheit gesagt. Die Türen der Werkstatt waren geschlossen, die Jeeps standen Stoßstange an Stoßstange in der Halle. »Die Werkstatt ist geschlossen, weil Erasmo nicht möchte, daß ich Autos verkaufe, während er weg ist«, sagte Tico. »Keine Sorge, ich will nur den Hinterausgang benutzen.« Um wachsame Augen auf der Vorderseite zu meiden, dachte Arkadi. »Erasmo ist bei den Chinesen. Er ist bei den Chinesen.«
    »Ach ja? Welche Chinesen?«
    »Die toten Chinesen. Er wird den ganzen Tag dort sein, und ich soll keine Autos verkaufen. >Funkstille!< hat er gesagt. Ich soll mit niemandem reden.«
    »Wo sind die toten Chinesen?«
    »Funkstille!«
    »Natürlich. Das ist ein Problem.«
    »Ich sollte nicht mal die Tür aufmachen.«
    »Sie waren bloß höflich.« Arkadi kramte einen Bleistift aus seiner Manteltasche und legte ein Stück Papier auf eine Kühlerhaube. »Können Sie es aufschreiben?«
    »Ich kann so gut schreiben wie jeder andere. In Druckschrift jedenfalls.«
    »Dann sagen Sie mir nicht, wo ich Erasmo und die Chinesen finden kann, sondern Sie schreiben es in Druckschrift auf diesen Zettel.«
    »Das ist ziemlich leicht, sie sind tot.«
    »Gut.« Während Tico sich über das Papier beugte und in Blockbuchstaben mühsam eine Adresse aufschrieb, fragte Arkadi beiläufig: »Wissen Sie, wo Mongo ist?«
    »Nein.«
    »Wissen Sie, was mit Sergej passiert ist?«
    »Nein.« Tico gab ihm mit besorgter Miene den Bleistift zurück.
    »Gehen Sie jetzt direkt zu Erasmo? Wenn Sie direkt gehen, wird er wissen, daß ich es war.«
    »Nicht direkt.«
    Ticos Miene hellte sich auf. »Wohin gehen Sie jetzt?«
    »Zum Havana Yacht Club.«
    »Wo ist denn der?«
    Arkadi hielt einen Stadtplan hoch. »In der

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