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Nacht in Havanna

Nacht in Havanna

Titel: Nacht in Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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sie.
     
    Nachdem er Bolzen und Riegel festgeschraubt hatte, feierte Renko seine »erhöhte Sicherheit«, wie er das nannte, indem er eine Flasche von Pribludas Rum öffnete und ein Tablett mit sauren Gurken, marinierten Pilzen und anderen russischen Unverdaulichkeiten zurechtmachte, das er auf den Balkon trug. Sie saß auf einem Aluminiumstuhl und suchte die Straße nach drohenden Gefahren ab, während er sein Gesicht dem Licht des Halbmonds zuwendete, der am Ende eines silbrigen Pfads über das Wasser am Horizont balancierte. Hin und wieder klapperte ein Lada vorbei, als ob ein Schlagzeug angeliefert würde. Jineteras in greller Kunstfaserkleidung flanierten auf der Mole. Ein alter Mann verkaufte Mohren aus einem Koffer, der, wie Renko feststellte, genauso aussah wie Pribludas Plastikkoffer und aus kubanischer Herstellung stammte, wie Ofelia erklärte. Ein neumätico auf seinem Weg zum nächtlichen Fischfang balancierte einen riesigen aufgepumpten Reifenschlauch auf dem Kopf und ging den Malecon entlang wie eine zweibeinige Schnecke, die ihr Haus spazierentrug. Fahrradfahrer sausten auf ihren Rädern über den Bürgersteig, und sie beobachtete, wie ein Junge an einer Touristin vorbeischoß und ihr so geschickt die Handtasche von der Schulter streifte, daß sie noch auf dem Boden suchte, als er längst den Boulevard überquert hatte und samt Tasche in einer Seitenstraße verschwunden war. Streifenpolizisten kamen hinzu, um den letzten Akt des Dramas zu komplettieren, bevor die Touristin desillusioniert in ihr Hotel zurückkehrte und sich das Gleichgewicht des Malecon wieder einpendelte. Nächtliche Taucher stiegen über die Felsen aus dem Wasser, eine Taschenlampe in einer, einen Tintenfisch in der anderen Hand. Kleine Hunde balgten sich um den Kadaver einer Möwe. Männer tranken aus Papiertüten. Paare zogen sich in die Schatten zwischen den Säulen zurück.
    Aus dem Hauseingang drang ein langsames, ländliches son, ein für sechsseitige Gitarre und Gesang vertontes Gedicht von Guillen. »Maria Belen, Maria Belen, Maria Belen, ich sehe deine Hüften kreisen und wiegen von Camagüey bis Santiago, von Santiago bis Camagüey.«
    Renko zündete sich eine Zigarette an. »Sargento Luna hat mich offenbar vergessen. Dabei hat er gar keinen vergeßlichen Eindruck auf mich gemacht. Guter Rum.«
    »Kuba ist bekannt für seinen Rum. Wußten Sie das Paßwort für den Computer schon, als ich Sie zum erstenmal hierhergebracht habe?«
    »Nein.«
    Ofelia war auch gar nicht davon ausgegangen, was bedeutete, daß er es seit seinem Einzug in die Wohnung entdeckt haben mußte. Dabei hatte sie überall nachgesehen, als sie die Fingerabdrücke genommen hatte. Sie unterdrückte den Impuls, sich umzudrehen, und spürte, daß er sie genau beobachtete.
    »Ich habe nachgedacht. Vielleicht wäre es sicherer, wenn Sie zur Botschaft zurückgehen und dort unter Bewachung bleiben würden.«
    »Und mir so meinen kubanischen Urlaub verderbe? O nein.«
    Selbst in dem schwachen Licht konnte sie den Schorf und das Pflaster an seinem Haaransatz erkennen. Aus irgendeinem unerklärlichen Grund fühlte sie sich für seine Gesundheit verantwortlich und war wie üblich wütend über die Art, wie er dem Gespräch eine andere Wendung gab.
    »Aber Sie behaupten nach wie vor, daß der Sargento Sie angegriffen hat. Glauben Sie, es gibt eine Verschwörung gegen Sie?«
    »O nein, das wäre verrückt. Nach Rufo und Luna würde ich jedoch sagen, eine Spur von Feindseligkeit.«
    »Rufo ist eine Sache«, behauptete sie. »Aber die Beschuldigung, daß ein Beamter Sie angegriffen habe, ist ein Versuch, Kuba als ein rückständiges Land darzustellen.«
    »Warum? In Rußland könnte einem so etwas genauso passieren. In der Duma wimmelt es von Mafiosi, die regelmäßig mit Knüppeln, Stühlen und Pistolen aufeinander losgehen.«
    »Nicht in Kuba. Ich glaube, Sie haben sich das mit Sargento Luna nur eingebildet.«
    »Ich habe mir eingebildet, daß der Sargento Air Jordans trägt?«
    »Warum ist er dann nicht wiedergekommen?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht Ihretwegen.«
    Sie war sich nicht sicher, wie sie das auffassen sollte.
    »Sie haben gemeint, Dr. Blas sei ehrlich, und wenn er behauptet, daß der Herzmuskel des Mannes, den Sie aus der Bucht gefischt haben, Symptome für einen Herzstillstand aufweist, dann würde er die Wahrheit sagen?«
    »Wenn er es sagt.«
    »Mal angenommen, ich glaube ihm. Was ich nicht glauben kann, ist, daß ein gesunder Mann ohne Grund einen

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