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Nacht in Havanna

Nacht in Havanna

Titel: Nacht in Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Neues ersetzt worden. Er trat auf eine Veranda mit Blick auf das Meer und eine kleine private Bucht.
    Eine Promenade, so breit wie eine städtische Plaza, erstreckte sich bis zu einer Reihe Strohsonnenschirmen und fächerförmigen Palmen, die zu einem weißen Sandstrand mit einer flachen, von breiten Anlegestegen eingefaßten Bucht führten. Dahinter lagen genug weitere Ankerplätze für eine ganze Regatta. Doch die einzigen Wasserfahrzeuge, die Arkadi sah, waren neumäticos, kleine Punkte am Horizont. Am Strand spielten ein paar Jungen Fußball.
     
    Arkadi zog Schuhe und Socken aus, um den feinen Sand unter den Füßen zu spüren. Die Jungen beachteten ihn nicht. Er erklomm die Stufen eines weißen Betonpiers und schritt die fünfzig Meter bis zu seinem Ende ab. Havanna war verschwunden. Der Club beherrschte einen Uferstreifen von gut hundert Metern, im Westen grenzte er an das Gelände der alten Hunderennbahn, im Osten an ein Gebäude mit hufeisenförmigen Bogen und einem maurischen Turm, der aussah, als hätte man ihn aus Granada hierher verpflanzt. Am Strand war kein Mensch zu sehen, und obwohl der breite Sandstreifen auf eine Landspitze mit dichtem Gestrüpp zulief, die aussah wie eine verlassene Wüsteninsel, kam Arkadi die Örtlichkeit seltsam bekannt vor. Er zog das Foto von Pribluda, Mongo und Erasmo mit denselben Sträuchern im Hintergrund heraus. Er stand an der Stelle, wo das Bild aufgenommen worden war. Am Havana Yacht Club.
     
    Die Jungen am Strand winkten, und Arkadi dachte, sie meinten ihn, doch dann hörte er ein Brummen, drehte sich um und sah ein Motorboot um einen der Wellenbrecher kurven. Die Windschutzscheibe glitzerte in der Sonne, als es über die Wellen glitt, bis Arkadi am Steuer George Washington Walls in kurzärmeligem Hemd und Sonnenbrille erkannte. Er zog eine Schleife wie ein Eisläufer und steuerte das Boot dann mit gedrosseltem Motor parallel auf den Anlegesteg zu, wobei er einen sicheren Abstand zu den Pfählen hielt. Das Boot, ein Innenborder, war flach und eckig mit Rumpf und Deck aus glänzendem schwarzen Mahagoni sowie einem messingverkleideten Bug. Vor den Kabinenfenstern hingen schwarze Vorhänge. Das Armaturenbrett strahlte den Glanz und die Patina von Alter und liebevoller Pflege aus. Am Bugflaggenstock flatterte eine Piratenfahne mit gekreuzten Säbeln. »Hemingways Boot?« fragte Arkadi.
    Walls schüttelte den Kopf. »Vielleicht Al Capones. Das ist das zum Rumschmuggler umgebaute ehemalige Begleitschiff eines Wasserflugzeugs.«
    »Capone war auch hier?«
    »Er hatte hier ein Haus.«
    Arkadi war wieder einmal beeindruckt. »Woher wußten Sie, daß ich hier bin?«
    »Die Basis der Kommunikation auf dieser Insel sind alte Frauen mit Handys. Warum sind Sie hier?«
    »Reine Neugier. Ich wollte den Yacht-Club sehen.«
    »Gibt’s nicht.«
    »Ich wollte schon immer mal einen Ort sehen, den es nicht gibt.«
    »Da sind Sie in Kuba richtig«, gab Walls zu. Er blickte zu dem Club und dann auf die Schuhe in Arkadis Hand. »Ja, Sie sehen aus, als ob Sie sich langsam einleben würden. Haben Sie ein paar Minuten Zeit? Was halten Sie von einer Tasse Kaffee mit gleich zwei Männern, die mal auf der FBI-Liste der meistgesuchten Verbrecher gestanden haben?«
    »Klingt unwiderstehlich.« Arkadi zögerte. »Ist Luna auch eingeladen?«
    »Nicht zu dieser Party. Keine Trommeln, kein Tanz, kein Luna. Steigen Sie ein.«
    Walls legte den Rückwärtsgang ein und wendete das Boot, auf der anderen Seite des Hecks prangte der Namenszug »Gavilan«. Arkadi sprang an Bord, ohne sich ein Bein zu brechen, und während er noch in einen Ledersitz glitt, verließ das Boot bereits den Anlegesteg.
    Es war nur eine kurze Fahrt, sie glitten geschmeidig über die Wellen aus der Bucht in tiefere, blauere Gewässer, wo Walls das Boot sanft wie der Chauffeur einer Limousine zum Stehen brachte. Er machte Arkadi ein Zeichen zu warten, verschwand in der Kabine und kehrte mit einer Tischplatte zurück, die sich an Deck in eine Verankerung einrasten ließ. Er verschwand erneut und kam mit einem Messingtablett zurück, auf dem Butterwecken, eine Kanne Kaffee und drei kleine Porzellantassen mit der Aufschrift »Gavilan« standen. Die Kabinentür öffnete sich erneut, und heraus trat ein kleiner silberhaariger Mann in einem schwarzen Schlafanzug und Pantoffeln. Er stieg die paar Stufen an Deck und nahm gegenüber Arkadi Platz. Er lächelte wie ein Mann, der gleichzeitig der Zauberer und das Kaninchen in seinem Zylinder ist.

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