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Nacht über Algier

Nacht über Algier

Titel: Nacht über Algier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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gedreht, um eine andere Lücke zu finden, und mich am Ende doch wutschnaubend vor den großen Schlitten gesetzt, bereit, es mit Azrai'n [ (arab.) Bezeichnung für eine gottähnliche Autorität; typische Wendung, um seiner Wut Ausdruck zu verleihen.]höchstpersönlich aufzunehmen.
    Anstelle der üblichen Hektik herrscht in der Eingangshalle zum Polizeirevier eine sonderbare Ruhe. Die Polizeibeamten verstummen, als ich an ihnen vorbeigehe.
    Ich schaue zuerst bei Serdj rein, um mich nach dem Befinden des Direx' zu erkundigen. Serdj teilt mir mit, daß er zur Beobachtung im Militärkrankenhaus von Ain Naadja liegt.
    Baya legt überstürzt den Hörer auf, als sie mich kommen sieht. Nachdem sie ihren Unterrock glattgestrichen hat, deutet sie ein undefinierbares Lächeln an.
    »Kommissar Dine hat dreimal angerufen.«
    »Hat er gesagt, warum?«
    »Nein, aber er hat versprochen, es wieder zu probieren.«
    »Dann leg ihn mir auf die Zwei.«
    »Wird gemacht, Monsieur.«
    Genau in dem Augenblick, da ich meine Jacke über die Stuhllehne hänge, schrillt das Telefon. Dine ist hocherfreut, als er meine Stimme erkennt. Er fängt an, mich auszuquetschen, wo ich denn gewesen sei, als ob ich die Chance meines Lebens verpaßt hätte, dann beruhigt er sich und bittet mich, zur Rue des Soviets zu kommen. Allein, betont er.
    Dine erwartet mich freudestrahlend an der vereinbarten Stelle. Er ist ebenfalls allein.
    »Laß deine Karre hier stehen«, sagt er zu mir. »Wir nehmen meine.«
    Er öffnet mir die Tür, hilft mir übertrieben zuvorkommend auf den Sitz, dann wirft er sich hinters Steuer und brettert los.
    »Wohin fahren wir?«
    »Ich habe mir bei einem hohen Staatsbeamten Gehör verschaffen können. Das war nicht einfach, aber das Ergebnis ist einwandfrei: Wir haben die Genehmigung, unseren Freund Lino zu besuchen.«
    Lügner!
    »Ich wußte, daß ich auf dich zählen kann.«
    »Wir müssen eben zusammenhalten. In diesen Zeiten kann man niemandem mehr über den Weg trauen.«
    »Stimmt.«
    Wir durchqueren die halbe Stadt, fahren durch kleine Gassen, eine verwinkelter als die andere. Einen Augenblick lang habe ich das Gefühl, daß Dine versucht, die Spuren zu verwischen, damit ich sie nicht wiederfinden kann. Nach einer halben Stunde dringen wir in ein bewaldetes Gelände vor, umgeben von hohen Bretterzäunen, auf denen teilweise Stacheldraht angebracht ist. Kein Spaziergänger weit und breit. Eine Stille voller Fragezeichen lastet über dem Ort. Dine biegt in eine schattige Straße ein, fährt bis zu einem Tor, das sich beim Näherkommen langsam aufschiebt. Im Hof empfängt uns ein vielstimmiges Geplätscher. Fast könnte man meinen, man befinde sich auf einer paradiesischen Waldlichtung, wenn da nicht dieser Rambo neben dem verfallenen Springbrunnen stehen würde, der uns auflauert wie ein Henker seiner Beute.
    »Endstation«, verkündet Dine. »Alle Mann aussteigen.«
    Der Rambo kommt uns nicht entgegen. Er zuckt nicht mal mit der Wimper, obwohl ich spüre, wie er mich von oben bis unten mit seinen Blicken durchleuchtet und meine Hintergedanken unter die Lupe nimmt. Mich befällt ein unbehagliches Gefühl angesichts dieses knurrigen Fleischerhundes. Mit einem Taschentuch tupfe ich mir die Schläfen ab.
    Der Tempelwächter begnügt sich indes damit, die Tür hinter sich aufzuschieben. Ohne ein Salam aleikum und ohne Murren. Er läßt uns eintreten, schließt die Tür und geht vor uns einen düsteren Korridor entlang. Ab und zu niedrige, in Dunkel getauchte Zellen. Ohne Insassen, nichts weiter als vergitterte Rattenlöcher. Am Ende des Ganges führt eine dreckverschmutzte Treppe in einen grauenerregenden Keller, wo weitere Zellen unter dichten Salpeterschichten vor sich hin schimmeln. Ein aggressiver Gestank sticht mir in die Nase, meine Augen tränen. Es gibt weder eine Fensterluke noch eine Lüftungsklappe, es ist, als irrte man im ungesunden Nebel der Vorhölle umher, ohne die geringste Aussicht, dort unbeschadet wieder rauszukommen.
    Der Rambo macht sich an der Tür einer Art Rumpelkammer zu schaffen, läßt zwei Vorhängeschlösser aufspringen und schaltet die Deckenlampe an. Im Innern des Loches bewegt sich etwas, eine auf dem Boden zusammengekrümmte menschliche Masse. Es ist Lino. Oder das, was von ihm übriggeblieben ist. Sein Gesicht ist übel zugerichtet, seine Augen verschwinden hinter riesigen bläulichen Schwellungen, und seine Lippen sind aufgeplatzt - ein Bild des Grauens.
    »Man hat ihn in diesem Zustand zu uns

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