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Nacht über Algier

Nacht über Algier

Titel: Nacht über Algier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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[Eiszeit mit Marokko - Anspielung auf den Grenzkrieg zwischen Marokko und Algerien, auch »Tindouf-Krieg« genannt, der zwischen Oktober 1963 und Februar 1964 stattfand.] arbeitete er im BI, bevor er sich in Frankreich einen groben Schnitzer leistete, indem er einen Oppositionellen liquidierte. Sein Name wurde in einer Pariser Zeitung genannt, was ihn dazu zwang, sich irgendwo in den Orient abzusetzen. Seitdem Gras über die Sache gewachsen ist, treibt er sich wieder in den Kellern des OBS herum. Er befaßt sich mit den heiklen Fällen, die den oberen Etagen hin und wieder zu schaffen machen.
    »Dürfte ich erfahren, wer der Typ ist, der da auf dem Asphalt liegt?«
    »Du bist hier nicht willkommen, Llob. Erstens haben wir nichts zu erklären, und zweitens geht dich das nichts an. Einzig und allein die Leute vom OBS und vom BI sind berechtigt, sich hier aufzuhalten. Du bist jetzt bitte so freundlich und gehst zurück zu deiner Karre, montierst deinen Rückspiegel ab und machst dich aus dem Staub. Gleich wird die Sphinx aufkreuzen. Als man ihm von dem Vorfall berichtet hat, war er im siebten Himmel. Wenn er dich hier sieht, ist sein Abend gelaufen, und wir bekommen deinetwegen unser Stückchen Zucker nicht ab.«
    Ich trete von einem Fuß auf den anderen, um mich aufzuwärmen.
    »Hast du die Knarre gesehen, die er bei sich hatte?« frage ich ihn. »War das nicht eine 9-mm-Beretta?«
    »Vor dir kann man aber auch nichts verbergen.«
    »Er hat einen Jogginganzug und eine K-Way-Regenjacke ohne Taschen an.«
    »Na und?«
    »Nicht gerade praktisch, wenn man eine Knarre mit sich herumschleppt.«
    »Er hatte sie vielleicht hier versteckt.«
    »Vielleicht ... Aber ich sehe auch keine Taschenlampe. Der Rothaarige sagt, er habe gesehen, wie er seine Lampe auf den Mercedes gerichtet hat.«
    »Wir sind noch nicht fertig mit der Arbeit.«
    »Das dachte ich mir fast. Aber anscheinend seid ihr ihm ja auf der Spur.« Ich lächle, um ihm zu beweisen, daß ich mich an die Spielregeln halte, dann versuche ich es noch einmal mit meiner schönsten Unschuldsmiene:
    »Willst du mir wirklich nicht sagen, wer es ist?«
    Ich scheine ihn weich geklopft zu haben, denn schließlich vertraut er mir an:
    »Wir wissen es noch nicht. Seit fünf Tagen wird uns regelmäßig eine merkwürdige Person gemeldet, die immer genau dort auftaucht, wo sich Monsieur Thobane gerade befindet. Aber bisher haben wir den Schurken einfach nicht zu fassen gekriegt. Er hat sich jedesmal in Luft aufgelöst. Also haben wir uns ein kleines Szenario ausgedacht, um ihn zu ködern. Adjutant Kader hat eingewilligt, die Rolle von Monsieur Thobane zu übernehmen. Heute nacht hat der Fisch endlich angebissen. Jetzt, wo wir die Leiche haben, werden wir auch bald seinen Namen herauskriegen. Alles Weitere ist ein Kinderspiel.«
    »Phantastisch. So ein toller Fang ist mindestens einen ganzen Berg Zuckerstückchen wert, wetten? Meinst du, daß das etwas mit dem Attentat von Donnerstag zu tun hat? Weil nämlich bei euch einer meiner Männer einsitzt, der langsam zu stinken anfängt. Es wäre großartig, wenn ich wüßte, daß er umsonst dort hockt.«
    Youcef verschränkt die Arme vor der Brust wie ein Schlosser, der nicht begreift, warum er mit keinem seiner Schlüssel die Tür zu öffnen vermag. Er verzieht verärgert den Mund.
    »Es ist zum Verzweifeln mit dir, Llob, wie mit allen Schwachköpfen, die nicht einsehen wollen, daß sie welche sind. Pack deine Siebensachen und zisch ab, bevor die Sphinx kommt. Er hat eine harte Woche hinter sich. Es würde das Faß womöglich zum Überlaufen bringen, wenn er über deine Fresse stolpert.«
    Ich hebe die Arme zum Zeichen, daß ich mich ergebe, und gehe zum Auto.
     
    Einen Häuserblock von der Zentrale entfernt, gibt es ein Cafe, wohin ich mich von Zeit zu Zeit flüchte, um abzuschalten. Die Gäste sind überwiegend Tattergreise, und der Kellner hat eine so lange Leitung, daß er sich meist erst am Abend an die Bestellungen vom Vormittag erinnert. Mit seinem vergammelten Mobiliar und seinen verstopften Latrinen hat der Ort etwas Deprimierendes, allerdings bekommt man auf der Terrasse einen sehr interessanten Eindruck davon, wie sich wirtschaftliche Misere in den benachteiligten Randgruppen der Gesellschaft auswirkt. Vor zwei Jahrzehnten noch florierte die Straße, es gab dort einen Laden neben dem anderen, die Fleischereien wurden belagert, und die Hausfrauen brachen unter dem Gewicht der Einkaufskörbe fast zusammen. Abgesehen von einem

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