Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
die Hände gestützt und nahm die Kamelien überhaupt nicht wahr, die am Ufer des Bayou Teche in voller Blüte standen.
Ich hatte Buford nicht alles erzählt, was ich bei dem Gespräch mit meinem Freund Minos Dautrieve von der DEA in New Orleans erfahren hatte. Minos und seine Kollegen wollten eine Razzia auf der Ranch von Clay Mason durchführen, die siebenhundert Meilen südlich der texanischen Grenze im mexikanischen Bundesstaat Jalisco lag.
Und Helen und ich waren dazu eingeladen.
35
Mittags um zwölf landeten Minos, zwei weitere DEA-Agenten und wir beide in Guadalajara. Minos war groß und hager, ein zynischer, aber gutmütiger Mann mit kurz geschnittenen Haaren, die allmählich weiß wurden. Vor vielen Jahren war er Stürmer in der Basketballmannschaft der L. S. U. gewesen und hatte von den Sportjournalisten wegen seiner knallharten, unwiderstehlichen Dunkings den Spitznamen »Dr. Dunkenstein« verliehen bekommen. Als wir auf den Hangar zurollten, zog er den Vorhang am Fenster der Chartermaschine auf, schaute erst zu den Bergen in der Ferne und dann zu dem auf dem Vorfeld stehenden Kleinbus mit den drei breiten Sitzbänken im Fond, an dem ein unrasierter Mann in Bluejeans und einem braunen Fußballtrikot lehnte.
Er hatte eine Pistole umgeschnallt und eine goldene Dienstmarke am Gürtel hängen.
»Da ist unser Fahrer«, sagte er.
Helen schaute aus dem Fenster.
»Ich fass es nicht. Das ist doch der Schlauberger – wie heißt er doch gleich? –, dieser Heriberto, der aussieht, als ob seine Haare mit der Gartenschere geschnitten wären«, sagte sie.
»Kennen Sie ihn?«, fragte Minos.
»Er ist ein mexikanischer Drogenfahnder. Ein Priester oben in den Bergen hat uns erzählt, dass er Dreck am Stecken hat«, sagte ich.
»Das haben sie alle. Einer unserer Jungs ist hier unten verkauft und zu Tode gefoltert worden«, sagte Minos. »Der Typ ist ziemlich harmlos.«
»Klasse Leumundszeugnis«, sagte Helen.
Wir fuhren aus der Stadt und kamen durch eine kleine Ortschaft namens Zapopan. Mitten auf dem Dorfplatz stand ein von Regenbäumen umgebener Pavillon, in dem eine Kapelle spielte, während ringsum Kinder tobten und in leeren Milchflaschen steckende Raketen gen Himmel schossen. Auf der einen Seite des Platzes ragte eine rosa-gräuliche Kathedrale aus dem achtzehnten Jahrhundert auf, deren steinerne Treppenstufen blank gewetzt und zur Mitte hin von den Knien der Bußfertigen ausgeschliffen waren, die an ihrem Geburtstag hier hinaufrutschten und einen Rosenkranz nach dem anderen beteten.
»Die Kirche is’ berühmt«, sagte Heriberto. »Da drin steht die Statue der Jungfrau von Zapopan. Hier hat’s schon allerhand Wunder gegeben, Mann.«
»Das ist der Ort«, sagte ich zu Helen, die hinter uns saß.
»Was für ein Ort?«
»Mingo Bloomberg hat mir gesagt, dass dieser Araña aus einer Ortschaft in Jalisco stammt, in der es eine berühmte Heiligenstatue gibt«, sagte ich.
Heriberto kurvte um einen geparkten Bus herum, auf dessen Dach zwei Soldaten mit Kampfanzügen und Stahlhelmen saßen. Ein dritter Soldat pinkelte auf die Fahrbahn. Auf dem Straßenschild an der Ecke stand Emiliano Zapata.
»Der Typ, den die
Rurales
droben beim Bergwerk angeschossen haben? Ja, der hätte öfter zur Kirche gehen sollen. Aber er war
Indio,
wissen Sie. Am einen Tag gehen sie in die Kirche, am nächsten sind sie besoffen, scharf auf
Puta,
stellen allerhand Scheiß mit der Regierung an. Schau, Mann, das große Problem von denen is’, dass sie nicht viel von Arbeit halten«, sagte er.
Helen beugte sich nach vorn. »Wie war’s, wenn Sie die Schnauze halten?«, sagte sie.
»Gringita,
ich hab nix gegen diese Leute. Aber drunten im Süden ham die unsre Soldaten umgebracht. Wollen Sie sehn, was da passiert?«, fragte Heriberto und holte eine Schuhschachtel voller Fotos unter dem Sitz hervor.
Es waren Schwarzweißaufnahmen, an den Rändern umgeknickt und abgegriffen, als ob sie schon oft herumgezeigt worden wären. Auf einem Bild lagen drei tote Rebellen nebeneinander auf der Straße, hatten noch die Halstücher um die untere Gesichtshälfte gebunden. Sie trugen Koppelzeug der US-Army, hatten Patronengurte umgehängt und sahen aus, als seien sie auf der Flucht erschossen worden. Auf etlichen anderen Fotos war eine weitere Szene festgehalten, immer aus unterschiedlichem Blickwinkel: ein halbes Dutzend Männerleichen, die an den Füßen von einer Adobekolonnade hingen, sodass die Fingerspitzen nur Zentimeter über der Erde
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