Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Hühnchen und die Würste vor, falls tagsüber vielleicht doch ein paar Angler oder Touristen vorbeikommen sollten.
Persephone und Dock Green wurden nie wieder gesehen; manche sagen, sie seien außer Landes geflohen, nach Südamerika vermutlich. Der Witz dabei ist, dass ein Tankwart in St. Martinville, der in der Nacht, in der Buford und Karyn starben, einem Mann einen Kanister Benzin verkauft hatte, Dock zwar anhand eines Fotos wiedererkannte, doch auf dem Benzinkanister, den man auf der LaRose-Plantage fand, waren keine Fingerabdrücke, und ohne einen unmittelbaren Tatzeugen hätte man Dock niemals der Brandstiftung überführen können.
Im Grunde genommen hatte Dock Greens Wahnwitz vermutlich immer einem bestimmten Zweck gedient, genau wie der Irrsinn eines Aaron Crown. Doch der neue Gouverneur von Louisiana, ein pragmatischer Geschäftsmann, hatte keine Lust, sich lange mit der Vergangenheit herumzuplagen, geschweige denn sich dadurch den Blick auf die Zukunft verstellen zu lassen.
Jimmy Ray Dixon?
Der hat jetzt spätnachts eine eigene Radiosendung in New Orleans, und mit schöner Regelmäßigkeit erzählt er seinen Hörern, dass der Geist seines Bruders endlich zur Ruhe gekommen sei. Warum jetzt? Die Frage beantwortet er nicht. Er fühlt sich auch sichtlich unwohl, wenn der Name Mookie Zerrang fällt, und sobald ihn jemand erwähnt, versteigt er sich in allerlei religiös abstruses Geschwafel.
Dock Greens Mädchen gehen nach wie vor in den gleichen Bars und an denselben Straßenecken anschaffen, Jimmy Ray Dixon hält seine Hörer zum Narren und wird dafür verehrt, und Aaron Crown sitzt im Hochsicherheitstrakt in Angola und leugnet gegenüber europäischen Journalisten, die seine Geschichte groß herausgebracht haben, jegliche Schuld.
Die Akteure ändern sich nie, nur das Publikum.
Aber vielleicht sieht man das nur als Polizist so, wenn man abgestumpft und verbittert ist. Jedenfalls interessierte sich kaum noch jemand dafür, wie Short Boy Jerry zu Tode gekommen war, ein Mann, der sich bekanntlich mit der Unterwelt eingelassen und folglich sein Schicksal selbst herausgefordert hatte.
Auch Clay Mason kam glimpflich davon. Man beschlagnahmte sein Anwesen in Mexiko und verwies ihn des Landes, doch nach kurzer Zeit trieb er sich wieder an den Universitäten herum, gab Interviews im Internet und verbreitete seinen Schmus im Fernsehen. Ein Mäzen kaufte ihm in der Nähe von Santa Fe ein Haus in den Bergen, wo er seine neuen Jünger und die alten Weggefährten aus den Sechzigerjahren um sich scharte, und ein berühmter New Yorker Fotograf hat ihn dort geknipst. Sein Gesicht wirkt so zerklüftet und alterslos wie die Berge im Hintergrund, ein breiter Stetson mit Schweißband sitzt auf seinem Kopf, und die Koboldaugen blicken direkt in die Kamera. Die Bildunterschrift lautete: »Ein Löwe im Winter«.
Aber ich glaube, ich habe mittlerweile gelernt, dass ich nicht mehr mit der Welt und ihrem Walten hadern sollte, jedenfalls nicht, wenn der Frühling vor der Tür steht.
In der dritten Märzwoche regnete es heftig, dann klarte der Himmel auf, und eines Morgens war der Winter vorbei. Flechten schillerten wieder an den Stämmen der Zypressen, draußen im Sumpf wurde es grün, und die jungen Blätter an den überfluteten Bäumen raschelten im Wind, der vom Golf wehte.
Alafair und ich ritten ohne Sattel auf ihrem Appaloosa die Straße entlang, hockten steif und breitbeinig auf seinem Rücken und ließen einen Drachen steigen. Es war ein großer Drachen, mit Pergamentpapier bespannt, auf dem die amerikanische Flagge prangte, und er stieg rasch auf, immer höher, bis er nur noch ein dunkler Fleck war, der über den Zuckerrohrfeldern im Norden hing.
Ich stellte mir die LaRose-Plantage vor, so wie man sie von da oben sehen musste, von Alafairs Drachen aus – die wogenden Wälder und das Schachbrettmuster der Felder, auf denen sich einst die Kavallerien der Konföderierten und der Union attackiert und gegenseitig umgebracht hatten, meinte die schreienden, todwunden Pferde zwischen dem Zuckerrohr und den Stoppeln zu hören, und ich fragte mich, welche Laune der Natur dazu geführt haben mochte, dass aus Kindern, die ihre Drachen steigen ließen, diese halb entwickelten Wesen geworden waren, die auf den ersten Hornschall hin gen Roncevau sprengten.
An diesem Abend gingen wir im Possum’s in St. Martinville Krebse essen, und danach besuchten wir die alte Kirche mitten in der Stadt und spazierten unter den
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