Nacht ueber den Highlands
gütigen Mann, einem Mann, der freundlich zu anderen war und der nicht glaubte, dass ein wenig Mitgefühl gleich seiner Männlichkeit schadete.
»Suche dir einen Mann, der dich lieb hat, Krümel. Einen, der deiner Liebe und Treue wert ist. Lass dich von keinem einfangen, bloß weil du Ländereien besitzt. Lieber überlasse ich alles Heinrich, als erleben zu müssen, dass mein Mädel in ihr Unglück rennt. Das Leben ist viel zu kurz, man sollte jeden Tag genießen, Krümel, vergiss das nie.«
Sie hatte die Worte ihres Vaters nie vergessen. Er war ein guter Mann gewesen. Ja, einen wie ihn würde sie mit Freuden heiraten.
Unglücklicherweise hatte sie jedoch noch keinen gefunden, der auch nur annähernd so anständig war wie ihr Vater. Die Männer, die sie in Scharen hofierten, hatten nur ihren Besitz, ihren Reichtum vor Augen.
Im zarten Alter von fünfzehn war sie einmal als Goldnugget verkleidet zur abendlichen Tafel erschienen, was unter den adeligen Gästen nicht geringe Aufregung verursacht hatte. Ihr Onkel hatte es ihr daraufhin mit dem Riemen gegeben und ihr befohlen, sich schleunigst etwas anderes anzuziehen.
Rowena hatte danach zwar nie mehr etwas Ähnliches versucht, ihre Meinung dagegen hatte sich kein bisschen geändert. Niemals würde sie einen Mann heiraten, für den sie nur Mittel zum Zweck wäre. Sie würde nur einen nehmen, der sie als Mensch, als Frau zu schätzen wusste.
»Meinst du, es wäre möglich, dass Lord Stryder mich zu seiner Königin der Herzen erwählt?«, fragte sich Elizabeth ungeachtet der wachsenden Ungeduld ihrer Herrin und Freundin. »Das Turnier wird er sowieso gewinnen, das ist sicher, und es wäre ja sooo schön, wenn er mich erwählen würde.« Eine zarte Röte kroch in Elizabeths Wangen. »Als er uns half, Joanne nach drinnen zu tragen, habe ich ihm mein Taschentuch als Liebespfand überlassen. Glaubst du, dass er es behalten wird?«
Rowena schenkte Elizabeth ein liebevolles Lächeln. Ihre Freundin konnte schließlich nichts dafür, dass sie für Barbaren schwärmte. Auch wenn es ihr wehtat, ihre Gefährtin so reden zu hören, brächte sie es nie übers
Herz, ihre Träume zu zerstören. Wenn sie unbedingt darauf erpicht war, von einem Mann über die Schulter geworfen und wie ein soeben erworbener Sack Kartoffeln davongeschleppt zu werden, dann wollte sie ihr nicht im Weg stehen, sondern ihr im Gegenteil alles Glück der Welt mit so vielen Barbaren wünschen, wie sie verkraften konnte. »Warum sollte er die Liebesgabe einer solchen Schönheit wie dir zurückweisen?«
Elizabeth strahlte. »Du bist so lieb, Rowena. Ich hoffe, dass die Halle rappelvoll ist, wenn du singst.«
Rowena warf einen Blick auf ihre Laute, die am Fenstersims lehnte. Musik und Dichtkunst waren ihre Leidenschaft, ihr Leben. Und um die Wahrheit zu sagen, sie wollte kein anderes Leben. Ihre Hofdamen mochten ja von Ehemann, von Kindern, von Stand und Reichtum träumen, sie dagegen träumte davon, als fahrende Minnesängerin ihren Lebensunterhalt zu verdienen, von Burg zu Burg zu reisen und die Welt zu sehen. Oder, wenn das schon nicht möglich war, dann zumindest eine eigene Gesangsschule zu eröffnen, um ihre Leidenschaft an andere weitergeben zu können.
Denn im Gegensatz zu ihren männlichen Berufskollegen, welche den Kampf und das Rittertum glorifizierten, sang und dichtete sie nur Lieder über die Liebe.
Andere Minnesänger und Adelige machten sich oft lustig über ihre mittlerweile wohl bekannte Abneigung gegen das Rittertum. Aber das war ihr egal. Sie hatte genug Preise und Auszeichnungen für ihre Kunst erhalten, sie konnte auf die Anerkennung ihrer traditioneller gesinnten Kollegen verzichten. Sie glaubte fest an ihre Musik.
Hätte ihr Vater ihren Erfolg doch nur noch erleben können ...
Rowena blinzelte die aufsteigenden Tränen zurück. Selbst nach all dieser Zeit tat ihr das Herz in der Brust weh, wenn sie an ihren heißgeliebten Vater dachte. Aber es lag ihr nicht, sich ihren Kummer vor anderen anmerken zu lassen. Sie gehörte zu jenen diskreten Menschen, die ihre Gefühle für sich behielten.
Gerade als sie Elizabeth wieder ihre Aufmerksamkeit zuwandte, klopfte es an der Tür.
Auf Elizabeths Aufforderung streckte Joanne ihren Blondschopf herein, wobei ihr gelber Schleier prompt verrutschte. Ihre grünen Augen funkelten fröhlich. Joanne war eine von vier Hofdamen, die in Rowenas Haushalt lebten und die sie zum Turnier nach Hexham begleitet hatten. »Seid ihr beiden noch immer nicht
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