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Nacht über den Wassern

Titel: Nacht über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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an.
    »Ich habe alles aufgegeben, was mir vertraut ist: Zuhause, Ehemann, Freunde und Heimat«, fuhr Diana fort. »Ich befinde mich auf einem Flug über den Atlantik, was an sich schon gefährlich ist. Und ich begebe mich in ein fremdes Land, wo ich keine Freunde habe, kein Geld, nichts.«
    Mark war zutiefst aufgewühlt. »O Gott, ich verstehe jetzt, was ich angerichtet habe! Ich habe dich im Stich gelassen, als du dich am verwundbarsten gefühlt hast! Mein armer Liebling, ich bin der größte Trottel überhaupt. Ich verspreche dir, das wird nie wieder vorkommen.«
    Vielleicht würde er ein solches Versprechen halten, vielleicht auch nicht. Er war von liebevollem, aber auch unbekümmertem Wesen. Es lag ihm nicht, sich fest an einen Vorsatz zu halten. Jetzt meinte er es sicher ehrlich, aber würde er sich an sein Versprechen auch noch erinnern, wenn er das nächstemal einer alten Freundin begegnete?
    Seine unbeschwerte Einstellung zum Leben hatte Diana so angezogen, doch ironischerweise erkannte sie jetzt, daß ihn gerade diese Einstellung unzuverlässig machte. Eines konnte sie über Mervyn sagen: Auf ihn war Verlaß. Er änderte seine Angewohnheiten nie – ob sie nun gut oder schlecht waren.
    »Ich habe das Gefühl, daß ich mich nicht auf dich verlassen kann«, sagte sie.
    Verärgert fragte er: »Wann habe ich dir je dazu Grund gegeben?«
    Ihr fiel keiner ein. »Aber du wirst es«, behauptete sie.
    »Außerdem willst du ja alles zurücklassen. Du bist unglücklich bei deinem Mann, deine Heimat befindet sich im Krieg, dein Zuhause und deine Freunde langweilen dich – das hast du alles gesagt.«
    »Langweilen, ja, aber es macht mir keine angst.«
    »Es gibt nichts, wovor du Angst haben müßtest. Amerika ist wie England. Die Leute sprechen dieselbe Sprache, sehen sich die gleichen Filme an, hören denselben Jazzbands zu. Es wird dir gefallen. Ich kümmere mich um dich, das verspreche ich dir.«
    Sie wünschte sich, sie könnte ihm glauben.
    »Und da ist noch etwas«, fuhr er leise fort. »Kinder!«
    Das saß. Sie sehnte sich so sehr nach einem Baby, und Mervyn war unerbittlich dagegen. Mark würde ein so guter Vater sein, liebevoll, zärtlich und lustig. Sie war verwirrt, und ihre Entschlossenheit wankte. Vielleicht sollte sie doch alles aufgeben? Was bedeuteten Heim und Sicherheit, wenn sie keine Familie haben durfte?
    Aber was war, wenn Mark sie auf halbem Weg nach Kalifornien einfach sitzenließ? Dann stünde sie da ohne Mann, ohne Kinder, ohne Geld, ohne Zuhause.
    Sie wünschte sich jetzt, sie hätte sich mit ihrem Ja ein wenig mehr Zeit gelassen. Statt die Arme um ihn zu schlingen und sich sogleich mit allem einverstanden zu erklären, hätte sie die Zukunft erst eingehend mit ihm besprechen und sich überlegen sollen, welche Schwierigkeiten sich ergeben konnten. Sie hätte ihn um irgendeine Sicherheit bitten sollen, wenigstens vorsichtshalber um das Geld für die Rückreise, falls etwas schiefging. Aber das hätte ihn gekränkt, außerdem würde sie mehr als ein Schiff- oder Flugticket benötigen, um über den Atlantik zu kommen, wenn der Krieg erst richtig im Gange war.
    Hätte, hätte, hätte, dachte sie niedergeschlagen, aber es ist zu spät, mir jetzt darüber den Kopf zu zerbrechen, was ich alles hätte tun sollen. Ich habe meine Entscheidung getroffen und lasse sie mir nicht ausreden.
    Mark nahm ihre Hände in seine, und sie war zu traurig, sie ihm zu entziehen. »Du hast deine Meinung einmal geändert, ändere sie jetzt noch einmal«, sagte er flehend. »Komm mit mir und werde meine Frau, und wir werden Kinder miteinander haben. Du wirst in einem Haus direkt am Strand wohnen, und unsere Kleinen können unter deiner Aufsicht im Wasser planschen. Sie werden blond sein und braun gebrannt und mit Tennis und Wellenreiten und Radfahren aufwachsen. Wie viele Kinder möchtest du gern? Zwei? Drei? Sechs?« Aber ihr schwacher Augenblick war verflogen. »Es hat keinen Sinn, Mark«, erklärte sie wehmütig. »Ich kehre nach Hause zurück.« Seine Augen verrieten ihr, daß er ihr jetzt glaubte. Sie blickten einander traurig an. Eine Zeitlang schwiegen sie beide.
    Da marschierte Mervyn herein.
    Diana traute ihren Augen nicht. Sie starrte ihn an, als wäre er ein Geist. Er konnte nicht hier sein, es war unmöglich!
    »Da bist du ja«, hörte sie seinen vertrauten Bariton.
    Die gemischtesten Gefühle übermannten Diana. Sie war entsetzt, erfreut, erschrocken, erleichtert, peinlich berührt und schamerfüllt. Ihr wurde

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