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Nacht über den Wassern

Titel: Nacht über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Mutter verkaufen.
    Peters Anteile plus Rileys ergaben fünfzig Prozent. Nancys und
    Tante Tillys waren ebensoviel. Bei einer Stimmengleichheit hatte der Vorsitzende die entscheidende Stimme – also Peter.
    Peter lächelte triumphierend.
    Doch Nancy war nicht bereit, sich geschlagen zu geben. Sie zog einen Stuhl heran, setzte sich und wandte sich an Nat Ridgeway. Sie hatte während der ganzen Auseinandersetzung sein Mißfallen gespürt. Sie fragte sich, ob er wußte, daß Peter hinter ihrem Rücken gehandelt hatte. Sie beschloß, ihn zu fragen. »Ich nehme an, du hast gewußt, daß Peter mir nichts gesagt hat?«
    Er starrte sie verschlossen an. Sie wartete schweigend auf eine Antwort. Schließlich senkte er den Blick und sagte: »Ich habe ihn nicht gefragt. Eure Familienstreitigkeiten gehen mich nichts an. Ich bin kein Sozialarbeiter, sondern Geschäftsmann.«
    Es hat eine Zeit gegeben, da hast du in Restaurants meine Hand gehalten und mich beim Heimbringen geküßt, und einmal hast du meinen Busen gestreichelt, dachte sie und fragte: »Bist du ein ehrlicher Geschäftsmann?«
    »Das weißt du doch«, antwortete er steif.
    »In diesem Fall wirst du unlautere Methoden zu deinen Gunsten nicht billigen.«
    Er dachte kurz nach, dann erwiderte er: »Es handelt sich hier um eine Geschäftsübernahme, nicht um eine Einladung zum Tee.«
    Er wollte noch mehr sagen, aber sie warf ein: »Wenn du keine Skrupel hast, durch die Unehrlichkeit meines Bruders zu profitieren, bist du auch selbst unehrlich. Du hast dich verändert, seit du für meinen Vater gearbeitet hast.« Sie wandte sich Peter zu, ehe Nat reagieren konnte. »Ist dir denn nicht klar, daß du für deine Anteile doppelt soviel bekommen kannst, wenn du mir und meinem Plan zwei Jahre eine Chance gibst?«
    »Mir gefällt dein Plan aber nicht!«
    »Selbst ohne eine Umstrukturierung wird die Firma wegen des Kriegs bald mehr wert sein. Wir haben immer Aufträge für Soldatenstiefel gehabt – überleg doch nur, wie die Anfragen steigen werden, wenn die Vereinigten Staaten sich am Krieg beteiligen!«
    »Amerika wird sich nicht beteiligen!«
    »Und wenn schon – auch der Krieg in Europa wird gut für das Geschäft sein.« Sie blickte Nat an. »Das ist dir klar, nicht wahr?
    Deshalb willst du uns ja aufkaufen.«
    Nat schwieg.
    Sie wandte sich wieder an Peter. »Es wäre finanziell viel besser, wenn wir warten. Hör doch auf mich! Habe ich mich in solchen Dingen je geirrt? Hast du je Verluste gemacht, wenn du meinen Rat befolgt hast? Hast du je profitiert, wenn du ihn mißachtet hast?«
    »Du verstehst es einfach nicht, nicht wahr?« sagte Peter.
    Sie hatte keine Ahnung, was er jetzt meinte. »Was verstehe ich nicht?«
    »Warum ich die Fusion will; weshalb ich es tue.«
    »Dann sag schon, warum?«
    Er starrte sie stumm an, und sie las die Antwort in seinen Augen.
    Er haßte sie.
    Sie erstarrte. Ihr war, als wäre sie mit voller Wucht kopfüber gegen eine Steinmauer geprallt. Sie wollte es nicht glauben, aber der Ausdruck von Gehässigkeit in seinem verzerrten Gesicht ließ keinen Zweifel an seinen Gefühlen. Spannungen hatte es zwischen ihnen immer gegeben, die völlig natürliche Geschwisterrivalität; aber was sie jetzt sah, war schrecklich, unheimlich, fast pathologisch. Das wäre ihr nie in den Sinn gekommen: Ihr kleiner Bruder Peter haßte sie!
    So muß es sein, dachte sie, wenn der Mann, mit dem man zwanzig Jahre glücklich verheiratet war, einem plötzlich erklärt, er habe eine Affäre mit seiner Sekretärin und liebe einen nicht mehr.
    Ihr war schwindelig, als hätte sie sich tatsächlich den Kopf angeschlagen. Sie würde eine Zeitlang brauchen, um darüber hinwegzukommen.
    Peter war nicht nur töricht oder gemein oder gehässig: Er schadete sich sogar selbst, nur um seine Schwester zu ruinieren. Aus purem Haß!
    Ganz normal konnte er nicht sein.
    Sie mußte nachdenken und beschloß, dieses stickige, rauchige Pub zu verlassen und ein bißchen frische Luft zu schnappen. So stand sie auf und verließ die beiden Männer wortlos.
    Als sie im Freien war, fühlte sie sich gleich ein wenig besser. Vom Wasser her wehte eine kühle Brise. Sie überquerte die Straße, schritt am Wasser entlang und lauschte den Schreien der Möwen.
    Der Clipper befand sich mitten im Kanal. Er war größer, als sie es sich vorgestellt hatte; die Männer, die ihn auftankten, wirkten daneben winzig. Sie fand die gewaltigen Motoren und riesigen Propeller beruhigend. In diesem Flugzeug würde sie

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