Nacht über den Wassern
nicht nervös sein, nicht nachdem sie in einer defekten Tiger Moth die Irische See überquert hatte.
Aber was konnte sie tun, wenn sie zu Hause war? Peter würde sich sein Vorhaben nicht ausreden lassen. Zu viele Jahre verhohlenen Grolls steckten hinter seinem Benehmen. Auf gewisse Weise tat er ihr sogar leid: Er war die ganze Zeit so unglücklich gewesen. Aber sie hatte nicht vor, ihm so ohne weiteres seinen Willen zu lassen. Vielleicht gab es noch eine Möglichkeit, ihr Erbe zu retten.
Danny Riley war das schwache Glied in der Kette. Jemand, der sich von einer Seite bestechen ließ, tat es auch von der anderen. Nancy mußte überlegen, was sie ihm bieten konnte, um ihn zu verlocken, die Seiten zu wechseln. Aber einfach würde es nicht sein. Peters Angebot, der Einstieg in General Textiles‘ Rechtsgeschäfte, war schwer zu überbieten.
Vielleicht konnte sie ihm drohen? Das wäre billiger. Aber wie? Sie konnte seinem Büro einen Teil des Familien- und Personenrechtsgeschäfts nehmen, doch das waren kleine Fische gegenüber den neuen Möglichkeiten bei General Textiles. Was Danny zweifellos am liebsten hätte, wäre ein tüchtiger Batzen Bargeld, doch ihr Vermögen steckte zum größten Teil in der Firma. Ein paar tausend Dollar konnte sie sich leicht beschaffen, doch Danny würde mehr wollen, hunderttausend vielleicht. An soviel Bargeld kam sie jedoch in so kurzer Zeit nicht heran.
Während sie tief in Gedanken versunken war, wurde ihr Name aufgerufen. Sie drehte sich um und sah, daß der gutaussehende junge Mann von Pan American ihr zuwinkte. »Ein Anruf für Sie!« rief er.
»Ein Mr. MacBride von Boston.«
Plötzlich erwachte neue Hoffnung in ihr. Vielleicht fiel Mac etwas ein. Er kannte Danny Riley. Genau wie ihr Vater waren beide Männer Iren zweiter Generation, die ihre Zeit mit anderen Iren verbrachten und Protestanten nicht trauten, nicht einmal, wenn diese Iren waren. Mac war ehrlich, Danny nicht, aber ansonsten waren sie sich sehr ähnlich. Pa war ehrlich gewesen, trotzdem bereit, ein Auge zuzudrücken, wenn etwas nicht ganz korrekt zuging, vor allem, wenn dadurch einem Freund aus der alten Heimat geholfen wurde.
Vater hatte Danny einmal vor dem Ruin bewahrt, erinnerte sie sich, während sie am Hafen entlang zurückeilte. Das war noch gar nicht so lange her, kurz vor seinem Tod. Danny hatte einen großen, sehr wichtigen Fall verloren; in seiner Verzweiflung hatte er sich in ihrem gemeinsamen Golfclub an den Richter gewandt und ihn zu bestechen versucht. Der Richter war jedoch nicht bestechlich gewesen und hatte ihn aufgefordert, seinen Beruf freiwillig aufzugeben, wenn er nicht von der Anwaltsliste gestrichen werden wollte. Vater hatte vermittelt, er hatte den Richter überzeugt, daß es nur eine einmalige, verzweifelte Kurzschlußhandlung gewesen war. Nancy wußte alles darüber; Vater hatte ihr gegen Ende seines Lebens viel anvertraut.
Aalglatt, unverläßlich, etwas unklug, leicht beeinflußbar – so war Danny. Gewiß konnte sie ihn auf ihre Seite zurückholen.
Aber ihr blieben nur zwei Tage.
Sie ging ins Haus, und der junge Mann zeigte ihr das Telefon. Sie drückte die Hörmuschel ans Ohr. Es tat gut, Macs vertraute, herzliche Stimme zu hören. »Du hast also den Clipper bekommen«, sagte er erfreut. »Tüchtiges Mädchen!«
»Ich werde zur Vorstandssitzung kommen – aber die schlechte Neuigkeit ist, daß Peter Dannys Stimme schon in der Tasche hat.«
»Glaubst du ihm?«
»Ja. General Textiles überläßt Danny einen ziemlichen Teil ihrer Rechtsgeschäfte.«
Macs Stimme klang bestürzt. »Bist du sicher, daß das stimmt?«
»Nat Ridgeway ist hier bei ihm.«
»Diese Schlange!«
Mac hatte Nat nie gemocht. Er hatte ihn gehaßt, als er anfing, mit
Nancy auszugehen. So glücklich Mac auch verheiratet war, war er doch auf jeden eifersüchtig, der ein romantisches Interesse an Nancy zeigte.
»Mir tut General Textiles jetzt schon leid, wenn Danny ihre Rechtsgeschäfte übernimmt.«
»Ich nehme an, sie werden ihm die unbedeutenderen Sachen überlassen. Mac, ist es legal, daß sie ihn auf diese Weise ködern?«
»Wahrscheinlich nicht, aber das ließe sich schwer beweisen.«
»Dann steht es nicht gut für mich.«
»Es tut mir so leid, Nancy.«
»Danke, alter Freund. Du hast mich immer davor gewarnt, Peter den Vorsitz zu überlassen.«
»Das habe ich allerdings.«
Genug der Vorwürfe über Fehler der Vergangenheit. Sachlich festen Tons sprach Nancy weiter: »Hör zu, wenn wir auf Danny
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