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Nacht über den Wassern

Titel: Nacht über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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spalten, in Barium und Krypton.«
    »Ich dachte, Atome wären nicht spaltbar.«
    »Das dachten wir bis vor kurzem alle. Deshalb ist es ja so unglaublich. Es gibt eine gewaltige Explosion, wenn es passiert, deshalb ist das Militär so daran interessiert. Wenn sie den Prozeß steuern könnten, wäre es ihnen möglich, die verheerendste Bombe aller Zeiten herzustellen.«
    Nancy blickte über die Schulter auf den schreckhaften, schäbig gekleideten Mann mit dem brennenden Blick. Die verheerendste Bombe aller Zeiten, sagte sie zu sich und fröstelte. »Dann wundere ich mich, daß er so unbewacht hier herumspaziert.«
    »Vielleicht ist er gar nicht unbewacht«, meinte Mervyn. »Sehen Sie den Mann dort?«
    Nancy folgte Mervyns Blick über die Straße. Ein weiterer Clipperpassagier stapfte allein daher: ein großer, schwerer Mann in Melone und grauem Anzug mit weinroter Weste. »Glauben Sie, das ist sein Leibwächter?« fragte sie.
    Mervyn zuckte die Schultern. »Für mich sieht er wie ein Polizist aus. Hartmann weiß es vielleicht nicht, aber ich würde sagen, er hat einen Schutzengel mit Schuhgröße sechsundvierzig.«
    Nancy hatte Mervyn auch nicht für einen so aufmerksamen Beobachter gehalten.
    »Das könnte das Pub sein«, wechselte Mervyn übergangslos das Thema. Er hielt vor der Tür an.
    »Viel Glück«, wünschte ihm Nancy. Sie meinte es ehrlich. Komischerweise mochte sie ihn inzwischen, trotz seines aufreizenden Wesens.
    Er lächelte. »Danke. Auch Ihnen viel Glück.«
    Er betrat das Lokal, und Nancy ging die Straße weiter.
    An ihrem Ende, gegenüber dem Hafen, stand ein efeuüberwuchertes Haus, das größer war als alle anderen im Ort. Im Innern fand Nancy ein behelfsmäßiges Büro und einen gutaussehenden jungen Mann in Pan-American-Uniform. Er blickte sie an, und seine Augen blitzten bewundernd, obwohl er bestimmt fünfzehn Jahre jünger war als sie.
    »Ich möchte ein Ticket nach New York kaufen«, erklärte sie ihm.
    Er war überrascht und betrachtete sie interessiert. »Oh! Wir verkaufen hier keine Tickets – wir haben gar keine.«
    Es hörte sich nicht wie ein ernsthaftes Problem an. Sie lächelte ihn an; ein Lächeln half so gut wie immer, unbedeutende bürokratische Hindernisse aus dem Weg zu räumen. »Nun, ein Ticket ist nur ein Stückchen Papier«, sagte sie. »Wenn ich Ihnen das Geld für den Flug gebe, werden Sie mich doch an Bord lassen, oder?«
    Er grinste. Sie hatte das Gefühl, daß er ihr helfen würde, wenn er es konnte. »Schon. Doch das Flugzeug ist voll besetzt.«
    »Verdammt!« murmelte sie bestürzt. Hatte sie sich umsonst fast überschlagen? Aber sie war noch nicht bereit aufzugeben, keineswegs. »Es muß doch irgendeine Möglichkeit geben! Ich brauche kein Bett. Ich kann auf einem Sitzplatz schlafen. Ich würde mich sogar mit einem Crewsitz begnügen.«
    »Das geht nicht. Das einzige, was noch frei ist, ist die Honeymoon Suite.«
    »Kann ich sie haben?« fragte sie hoffnungsvoll.
    »Aber ich weiß ja nicht einmal, was ich dafür verlangen müßte.«
    »Das könnten Sie doch herausfinden, nicht wahr?«
    »Ich nehme an, daß sie zumindest soviel wie zwei normale Passagen kostet, das wären siebenhundertfünfzig Dollar, aber es könnte auch mehr sein.«
    Es war ihr egal, selbst wenn sie siebentausend Dollar dafür hätte bezahlen müssen. »Ich gebe Ihnen einen Blankoscheck«, sagte sie.
    »Junge, Junge! Sie wollen offenbar unbedingt mit diesem Flieger mit!«
    »Ich muß morgen in New York sein. Es ist – sehr wichtig.« Sie fand die richtigen Worte nicht, um auszudrücken, wie wichtig.
    »Klären wir‘s mal mit dem Kapitän. Bitte kommen Sie mit, Ma‘am«, forderte der junge Mann sie auf.
    Nancy folgte ihm. Sie fragte sich, ob sie ihre Mühe an den Falschen verschwendet hatte.
    Er führte sie zu einem Büro im ersten Stock. Sechs oder sieben Besatzungsmitglieder des Clippers saßen oder standen rauchend und Kaffee trinkend in Hemdsärmeln herum und studierten Karten und Wetterberichte. Der junge Mann machte sie mit Captain Marvin Baker bekannt. Als der gutaussehende Flugkapitän ihr die Hand gab, hatte sie das verrückte Gefühl, daß er gleich ihren Puls messen würde; das lag daran, wie ihr bewußt wurde, daß er sie an einen Arzt erinnerte, den sie gekannt hatte.
    Der junge Mann erklärte: »Mrs. Lenehan muß unbedingt nach New York, Captain, und sie ist bereit, für die Honeymoon Suite zu bezahlen. Geht das?«
    Nancy wartete aufgeregt auf die Antwort, doch der Kapitän stellte

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