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Nacht über den Wassern

Titel: Nacht über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Nazis. Die sind genauso gegen den Kommunismus wie wir.«
    Jack nickte zustimmend.
    Harry war verblüfft, ging man doch in England allgemein davon aus, daß Amerika in den Krieg eintreten würde. In dieser Tischrunde war man sichtlich anderer Meinung. Kann durchaus sein, daß die Briten sich etwas vormachen und daß von Amerika keine Hilfe zu erwarten ist, dachte er und war auf einmal sehr pessimistisch. Schlechte Nachrichten für Ma in London…
    Eddie meinte: »Ich kann mir gut vorstellen, daß wir gegen die Nazis kämpfen müssen.« Seine Stimme verriet Ärger. »Das sind die reinsten Gangster«, sagte er und schaute Luther dabei unverwandt in die Augen. »Solche Leute gehören ausgerottet wie Ungeziefer.«
    Jack erhob sich unvermittelt. Er wirkte besorgt. »Wenn wir fertig sind, ruhen wir uns am besten ein bißchen aus, Eddie«, sagte er entschlossen.
    Die unerwartete Aufforderung schien Eddie zu überraschen. Er zögerte, nickte jedoch kurz darauf zustimmend, und die beiden Crewmitglieder empfahlen sich.
    »Dieser Ingenieur war irgendwie unhöflich«, meinte Harry.
    »Ach ja?« Luther tat erstaunt. »Ist mir gar nicht aufgefallen.« Verdammter Lügner, dachte Harry. Er hat dich doch praktisch einen Gangster genannt!
    Luther bestellte einen Brandy, und Harry fragte sich, ob die Bezeichnung zutraf. Die Gangster, die er aus London kannte, gaben sich weit auffälliger. Sie trugen zahllose Ringe, Pelzmäntel und zweifarbige Schuhe. Luther wirkte eher wie ein Selfmademan, der es zum Millionär gebracht hatte, sei es im Fleischhandel, im Schiffbau oder in einem anderen Industriezweig. »In welcher Branche arbeiten Sie, Tom?« fragte Harry geradeheraus.
    »Ich bin Geschäftsmann in Rhode Island.«
    Nicht eben eine ermutigende Antwort. Kurz darauf stand Harry auf, nickte höflich und ging hinaus.
    Als er sein Abteil betrat, fragte Lord Oxenford schroff: »Taugt das Essen was?«
    Harry hatte die Mahlzeit rundum genossen, aber als Angehöriger der Oberschicht gab man sich in punkto Essen nie überschwenglich. »Nicht schlecht«, sagte er unverfänglich. »Und der Wein ist durchaus trinkbar.«
    Oxenford grunzte und wandte sich wieder seiner Zeitung zu. Es gibt keinen unhöflicheren Zeitgenossen als einen griesgrämigen Lord, dachte Harry.
    Margaret lächelte und schien erfreut, ihn zu sehen. »Wie war es wirklich?« murmelte sie in verschwörerischem Tonfall.
    »Köstlich«, gab er zurück, und sie lachten beide.
    Margaret sah ganz anders aus, wenn sie lachte. Gewöhnlich wirkte sie eher blaß und unscheinbar, doch beim Lachen röteten sich ihre Wangen, und ihr Mund entblößte zwei Reihen regelmäßiger Zähne. Sie warf das Haar zurück und ließ ein kehliges Glucksen ertönen, das Harry sehr sexy fand. Am liebsten hätte er sich über den schmalen Gang gebeugt und sie berührt, doch als er Anstalten dazu machte, kreuzte sich sein Blick mit dem Clive Memburys, der ihm gegenübersaß, und er nahm aus einem unerfindlichen Grund von seinem Vorhaben Abstand.
    »Über dem Atlantik tobt ein Sturm«, erzählte er Margaret.
    »Heißt das etwa, daß es ungemütlich wird?«
    »Ja. Sie werden versuchen, den Sturm zu umfliegen, aber es wird trotzdem ganz schön ruckeln.«
    Die Unterhaltung gestaltete sich recht schwierig, weil in dem Gang, der ihre Sitze trennte, ständig die Stewards hin- und herliefen, Mahlzeiten in den Speisesaal trugen und mit schmutzigem Geschirr wieder zurückkamen. Harry beeindruckte es, daß die beiden Männer das Kochen und Servieren für so viele Passagiere ganz allein bewältigten.
    Er griff nach einer Ausgabe der Illustrierten Life, die Margaret beiseite gelegt hatte, und blätterte darin herum. Ungeduldig wartete er darauf, daß die Oxenfords zum Essen gingen. Er selbst war keine Leseratte und hatte weder Bücher noch Zeitschriften mitgenommen. Er war ein interessierter Zeitungsleser, aber zur Unterhaltung bevorzugte er Radio und Kino.
    Endlich wurden die Oxenfords zum Essen gerufen, und Harry blieb zurück mit Clive Membury. Auf der ersten Etappe der Reise hatte der Mann im Salon gesessen und Karten gespielt, doch da der Salon inzwischen in einen Speisesaal umgewandelt worden war, nahm Membury mit seinem eigenen Sitz vorlieb. Vielleicht geht er ja mal zum Lokus, dachte Harry – und vielleicht gewöhne ich mich endlich daran, es »Toilette« zu nennen, sonst kommt mir noch jemand auf die Schliche.
    Ob Membury tatsächlich Polizist war? Und wenn ja – was hatte er an Bord des Pan-American-Clippers zu

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