Nacht über den Wassern
Overalls sich darauf vorbereiteten, die Treibstofftanks der Maschine nachzufüllen. Außerdem lagen noch zwei ziemlich große Frachter im Hafen, was darauf schließen ließ, daß er sehr tief war.
Mervyns Frau und ihr Liebhaber hatten sich ebenfalls entschlossen, an Land zu gehen. Diana funkelte Nancy während der Überfahrt giftig an. Nancy fühlte sich unbehaglich und konnte ihr nicht ins Gesicht sehen, obwohl sie zu Schuldgefühlen weniger Veranlassung hatte als Diana – schließlich war diese es, die tatsächlich Ehebruch begangen hatte.
Über ein Schwimmdock, eine Laufplanke und ein Pier erreichten sie festen Boden. Trotz der frühen Stunde hatte sich eine kleine Menge Schaulustiger eingefunden. Am landeinwärts gelegenen Ende des Piers standen die Gebäude von Pan American, ein großes und zwei kleinere, alle drei aus Holz gebaut und mit Ausnahme der rotbraunen Verzierungen grün gestrichen. Gleich neben den Gebäuden grasten auf einer Weide ein paar Kühe.
Die Passagiere betraten das große Flughafengebäude und präsentierten dem schläfrigen Zollbeamten ihre Pässe. Nancy fiel auf, daß die
Neufundländer sehr schnell und mit einem Akzent sprachen, der eher irisch als kanadisch klang. Zwar gab es einen Wartesaal, doch für ihn interessierte sich niemand. Alle Passagiere beschlossen vielmehr, das Dorf zu erkunden.
Nancy konnte es kaum erwarten, mit Mac MacBride in Boston zu sprechen, und wollte sich gerade nach einem Telefon erkundigen, als ihr Name auch schon ausgerufen wurde; das Gebäude verfügte über ein ähnliches Lautsprechersystem wie ein Schiff. Sie gab sich gegenüber einem jungen uniformierten Angestellten von Pan American zu erkennen.
»Sie werden am Telefon verlangt, Madam«, sagte er.
Ihr Herz machte einen Sprung. »Wo ist das Telefon?« fragte sie und sah sich suchend in dem Raum um.
»Auf dem Telegrafenamt in der Wireless Road, etwa einen Kilometer von hier entfernt.«
Einen Kilometer! Sie konnte ihre Ungeduld kaum bezähmen. »Wir müssen uns beeilen, bevor die Verbindung unterbrochen wird! Haben Sie einen Wagen?«
Der junge Mann sah sie an, als hätte sie ihn nach einem Raumschiff gefragt. »Nein, Madam.«
»Dann müssen wir eben zu Fuß gehen. Zeigen Sie mir den Weg.« Sie verließen das Gebäude, der Bote voran, Nancy und Mervyn im Schlepptau. Sie eilten einen Hügel hinauf, auf einer unbefestigten und gehweglosen Straße, an deren Rändern einzelne Schafe grasten. Nancy war froh über ihre bequemen Schuhe, die natürlich von der Firma Black stammten.
Ob die Firma ihr morgen abend noch gehören würde? Mac MacBride würde es ihr gleich sagen. Nancy konnte die Verzögerung kaum ertragen.
Nach etwa zehn Minuten erreichten sie ein kleines Holzhaus und gingen hinein. Nancy wurde zu einem Stuhl geführt, vor dem ein Telefon stand. Sie setzte sich, nahm mit zittriger Hand den Apparat auf und sagte: »Nancy Lenehan.«
Das Amt meldete sich. »Bleiben Sie bitte am Apparat, wir haben eine Verbindung nach Boston für Sie.«
Nach einer langen Pause fragte eine Stimme: »Nancy? Bist du es?« Zu ihrer großen Überraschung war es nicht Mac. Nancy brauchte eine Weile, bis sie die Stimme erkannte. »Danny Riley!« rief sie aus.
»Nancy, ich sitze in der Patsche. Du mußt mir helfen!«
Sie umklammerte den Hörer. War ihre Rechnung tatsächlich aufgegangen? Sie zwang sich zur Ruhe und gab ihrer Stimme einen beinahe gelangweilten Klang, als wäre ihr der Anruf lästig. »Was gibt‘s denn, Danny?«
»Ich bekomme andauernd Anrufe wegen der alten Geschichte!« Das war eine gute Nachricht! Mac hatte Danny eingeheizt. In Rileys Stimme schwang Panik mit. Genau diese Reaktion hatte sie sich erhofft. Dennoch stellte sie sich unwissend. »Welche Geschichte? Wovon redest du?«
»Das weißt du doch! Am Telefon kann ich nicht darüber sprechen.«
»Und warum rufst du mich dann an, wenn du am Telefon nicht darüber sprechen kannst?«
»Nancy! Hör auf, mich wie den letzten Dreck zu behandeln! Ich brauche deine Hilfe!«
»Immer mit der Ruhe!« Er hatte Angst genug. Nun kam es darauf an, die Angst auszunutzen, um ihn zu manipulieren. »Erzähl mir genau, was passiert ist, ohne Namen und Adressen zu nennen. Ich glaube, ich weiß schon, auf welchen Fall du anspielst.«
»Du hast doch noch die alten Papiere von deinem Pa, oder?«
»Na klar, sie befinden sich daheim in meinem Stahlschrank.«
»Es ist gut möglich, daß ein paar Leute an dich herantreten und dich bitten werden, die Unterlagen
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