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Nacht über den Wassern

Titel: Nacht über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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spreizte unwillkürlich ein wenig die Beine. Das war genau die Ermunterung, die ihm noch fehlte. Schon ertastete seine Hand ihre Scham. Nancy stöhnte auf. Seit dem Tod ihres Mannes hatte niemand sie dort berührt, und der Gedanke machte sie plötzlich todtraurig. O Sean, dachte sie, ich vermisse dich so sehr. Ich gestehe mir nie ein, wie sehr ich dich vermisse. Ihr Schmerz war so heftig wie seit der Beerdigung nicht mehr, und die Tränen quollen zwischen ihren geschlossenen Augenlidern hervor und kullerten über ihr Gesicht. Mervyn küßte sie und fing ihre Tränen mit den Lippen auf. »Was ist los?« murmelte er.
    Sie öffnete die Augen. Durch den Tränenschleier sah sie sein anziehendes, besorgtes Gesicht und dann ihr Neglige, das bis zur Taille hochgeschoben war, sah seine Hand zwischen ihren Schenkeln. Sie griff nach seinem Handgelenk und schob es behutsam, aber bestimmt zurück. »Bitte sei nicht böse«, sagte sie.
    »Bestimmt nicht«, entgegnete er sanft. »Was ist los?«
    »Seit Seans Tod hat mich niemand dort berührt, und deswegen mußte ich an ihn denken.«
    »An deinen Mann?«
    Sie nickte.
    »Wie lange ist das jetzt her?«
    »Zehn Jahre.«
    »Das ist eine lange Zeit.«
    »Ich bin eben treu.« Sie lächelte, verweint wie sie war. »Wie du.« Er seufzte. »Du hast recht. Ich bin zweimal verheiratet gewesen, und dies ist das erstemal, daß ich – beinahe – untreu geworden wäre. Ich mußte an Diana und diesen Kerl denken.«
    »Sind wir Verrückte?« meinte sie.
    »Vielleicht. Wir sollten die Vergangenheit vergessen, die Gelegenheit beim Schopf packen und nur ans Hier und Jetzt denken.«
    »Vielleicht ja«, sagte sie und küßte ihn wieder.
    Das Flugzeug schlingerte, als wäre es gegen ein Hindernis gestoßen. Ihre Gesichter prallten aufeinander, und die Lichter flackerten. Die Maschine ruckelte und schüttelte ungeheuer. Nancy vergaß alles, was mit dem Küssen zu tun hatte, und klammerte sich Halt suchend an Mervyn.
    Als die Turbulenz nachgelassen hatte, bemerkte sie, daß seine Lippe blutete. »Du hast mich gebissen«, sagte er mit einem kläglichen Grinsen.
    »Das tut mir leid.«
    »Mir nicht. Hoffentlich bleibt eine Narbe zurück.«
    Sie spürte eine Woge von Zuneigung und umarmte ihn innigst.
    Sie lagen zusammen auf dem Boden, während der Sturm unentwegt weitertobte. In der nächsten Atempause sagte Mervyn: »Laß uns versuchen, ob wir es bis zur Koje schaffen – da ist es bequemer als hier auf dem Teppich.«
    Nancy nickte. Auf allen vieren krabbelte sie über den Boden und kletterte in ihre Koje. Mervyn folgte ihr und legte sich neben sie. Er nahm sie in die Arme, und Nancy schmiegte sich an ihn.
    Jedesmal, wenn die Turbulenzen schlimmer wurden, hielt sie sich an ihm fest – wie ein Seemann, der sich an den Mast klammert. Beruhigte sich das Flugzeug dann wieder, entspannte sie sich, und Mervyn streichelte sie besänftigend.
    Irgendwann schlief sie ein.
    Ein Klopfen an der Tür und eine Stimme, die »Steward!« rief, weckte sie auf.
    Nancy öffnete die Augen und bemerkte, daß sie in Mervyns Armen lag. »O mein Gott!« stieß sie entsetzt hervor, setzte sich auf und sah sich unruhig um.
    Beschwichtigend legte Mervyn ihr die Hand auf die Schulter und rief laut und befehlsgewohnt: »Einen Augenblick, Steward!«
    »In Ordnung, Sir, lassen Sie sich Zeit.« Die Stimme klang ziemlich verschreckt.
    Mervyn glitt vom Bett, stand auf und zog die Decke über Nancy. Sie lächelte ihn dankbar an, drehte sich zur Wand und stellte sich schlafend, um den Steward nicht ansehen zu müssen.
    Sie hörte, wie Mervyn die Tür öffnete und der Steward mit einem fröhlichen »Guten Morgen!« hereinkam. Das Aroma frisch aufgebrühten Kaffees stieg ihr in die Nase. »Es ist halb zehn Uhr morgens britischer Zeit, vier Uhr dreißig morgens in New York und sechs Uhr auf Neufundland.«
    »Hab‘ ich das richtig verstanden?« fragte Mervyn nach. »Halb zehn in England und sechs Uhr auf Neufundland? Die sind dreieinhalb Stunden hinter britischer Zeit zurück?«
    »Ganz recht, Sir. Neufundland Standard Time liegt dreieinhalb Stunden hinter Greenwich Mean Time zurück.«
    »Ich wußte gar nicht, daß man irgendwo in halben Stunden rechnet. Ganz schön kompliziert für die Leute, die die Flugpläne zusammenstellen. Wie lange dauert es noch bis zur Landung?«
    »Wir gehen in einer halben Stunde runter, mit einer Stunde Verspätung wegen des Sturms.« Der Steward entfernte sich und schloß die Tür.
    Nancy drehte sich um. Mervyn zog

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