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Nacht über den Wassern

Titel: Nacht über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Peter und mir angezettelt hat, damit am Ende der Stärkere von uns beiden die Firma übernimmt.«
    »Nimmst du ihm das ab?«
    »Ja – und das ist ja gerade das Schreckliche. Es klingt irgendwie einleuchtend. Ich wäre nie auf so etwas gekommen, aber wenn ich jetzt darüber nachdenke, wird mir einiges klar über mich und meinen Bruder.«
    Er nahm ihre Hand. »Du bist aufgebracht.«
    »Ja.« Sie streichelte die schwarzen Härchen auf der Oberseite seiner Finger. »Ich fühle mich wie ein Darsteller im Film. Irgend jemand hat sich eine Handlung ausgedacht, und ich spiele sie nach. Ich bin jahrelang manipuliert worden, und das ist mir zutiefst verhaßt. Ich weiß nicht einmal mehr, ob ich diesen Kampf mit Peter jetzt überhaupt noch gewinnen will, nachdem ich weiß, daß man so mit meinen Gefühlen gespielt hat.«
    Er nickte verständnisvoll. »Was würdest du denn am liebsten tun?«
    Die Antwort fiel ihr in dem Moment ein, als er die Frage stellte: »Ich möchte gerne mein eigenes Drehbuch schreiben. Ja, das würde ich gerne tun.«
    Harry Marks war so glücklich, daß er sich kaum bewegen konnte. Er lag im Bett und erinnerte sich an jede Einzelheit der vergangenen Nacht: die plötzliche, lustvolle Erregung, als Margaret ihn küßte; die Nervosität, als er all seinen Mut zusammennahm und ihr seinen Antrag machte; die Enttäuschung über die Abfuhr, die sie ihm erteilt hatte; und sein Erstaunen und Entzücken, als sie wie ein Kaninchen, das in seinem Bau verschwindet, zu ihm in die Koje schlüpfte.
    Bei dem Gedanken, daß er in dem Moment gekommen war, als sie ihn berührte, wäre er am liebsten im Boden versunken. Das passierte immer, wenn er das erste Mal mit einem neuen Mädchen zusammen war; er hatte es sich bloß noch nie eingestanden. Es war einfach beschämend. Ein Mädchen hatte ihn ausgelacht deswegen. Margaret hingegen war glücklicherweise weder enttäuscht noch frustriert, sondern auf eine seltsame Art sogar erregt gewesen. Auf jeden Fall war sie am Ende glücklich gewesen – genau wie er selbst.
    Er konnte sein Glück kaum fassen. Er war nicht klug, hatte kein Geld und stammte nicht aus den richtigen gesellschaftlichen Kreisen. Er war ein Schwindler von A bis Z, und sie wußte es. Was sie wohl in ihm sah? Was ihm an ihr gefiel, war nicht schwer zu erraten: Sie war schön, liebenswert, warmherzig, verwundbar – und hatte darüber hinaus den Körper einer Göttin. Welcher Mann wäre ihr nicht verfallen? Aber er? Gewiß, er sah nicht schlecht aus und kleidete sich gut, aber er hatte das Gefühl, daß Margaret auf solche Äußerlichkeiten nicht viel Wert legte. Und dennoch war sie von ihm fasziniert, von seinem Lebenswandel und von seinem Wissen über all die Dinge, die ihr fremd waren – über das Leben der Arbeiterklasse im allgemeinen und die Unterwelt im besonderen. Wahrscheinlich bin ich in ihren Augen eine romantische Gestalt, ein Vogelfreier wie Robin Hood und Billy the Kid, oder ein Pirat, dachte er. Wie unglaublich dankbar sie mir war, als ich ihr im Speisesaal den Stuhl hielt – die reinste Lappalie, eine spontane Geste ohne Hintergedanken, die ihr ungeheuer viel bedeutet hat… Harry war sich ziemlich sicher, daß dies der entscheidende Moment gewesen war: In diesem Augenblick hatte sie sich in ihn verliebt. Mädchen sind schon eigenartig, dachte er und zuckte in Gedanken die Achseln. Es ist sowieso einerlei, worauf die ursprüngliche Anziehung beruhte – als wir uns auszogen, sprachen nur noch unsere Körper… Er würde nie den Anblick ihrer weißen Brüste im schummerigen, fahlen Licht vergessen, ihre winzigen, vor lauter Blässe kaum sichtbaren Brustwarzen, die kastanienbraunen Löckchen zwischen ihren Beinen, die Sommersprossen auf ihrem Hals…
    Und nun würde er alles aufs Spiel setzen.
    Er würde die Juwelen ihrer Mutter stehlen.
    So etwas konnte ein junges Mädchen nicht einfach mit einem Schulterzucken abtun. Ihre Eltern behandelten sie zwar schlecht, und wahrscheinlich glaubte Margaret mit Überzeugung an eine Umverteilung des Reichtums. Schockiert würde sie trotzdem sein. Einen Mitmenschen zu berauben war wie ein Schlag ins Gesicht. Selbst wenn der angerichtete Schaden gering blieb, gerieten die Betroffenen in eine Wut, die alle Proportionen sprengte. Harry wußte, daß er ein jähes Ende seiner Liebesaffäre mit Margaret riskierte.
    Aber da war eben das Delhi-Ensemble. Es befand sich hier an Bord dieser Maschine, im Frachtraum, nur wenige Schritte von seiner Koje entfernt: die

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