Nacht über den Wassern
sagte er in neutralem Ton.
»Das kann nichts schaden«, erwiderte der Captain unverbindlich; er wirkte allerdings sichtlich erleichtert. Es sah so aus, als habe er selbst eine Kontrolle vorschlagen wollen, aber vorerst noch gezögert.
Ich geh‘ ein bißchen frische Luft schnappen«, sagte Eddie und ging hinaus.
Vor dem Pan-Am-Gebäude stieß er auf Tom Luther, der die Hände in den Taschen vergraben hatte und mißmutig den Kühen auf der Weide zusah. »Ich nehme Sie mit zum Telegrafenamt«, meinte Eddie und ging mit schnellen Schritten voran und den Hügel hinauf. Luther trottete hinterher. »Mach Dampf, Mann«, sagte Eddie. »Ich hab‘ nicht viel Zeit.« Luther beschleunigte seine Schritte. Es sah nicht so aus, als wolle er Eddie provozieren, was nach dem Beinahe – Hinauswurf aus dem Flugzeug auch kaum verwunderlich war.
Sie nickten zwei Passagieren zu, die offenbar gerade vom Telegrafenamt zurückkamen: Mr. Lovesey und Mrs. Lenehan, das Paar, das in Foynes zugestiegen war. Der Mann mag eine Fliegerjacke, und obwohl Eddie wahrlich anderes im Kopf hatte, fiel ihm doch auf, daß beide einen sehr glücklichen Eindruck machten. Mir und Carol-Ann hat man auch immer nachgesagt, daß wir zusammen glücklich aussehen, dachte er und spürte einen Stich im Herzen.
Sie erreichten das Büro, und Luther meldete ein Gespräch an. Damit Eddie es nicht hören konnte, schrieb er die gewünschte Nummer auf ein Stück Papier. In einem kleinen Privatzimmer, in dem sich ein Tisch mit Telefon und zwei Stühlen befanden, warteten sie ungeduldig auf die Verbindung. So früh am Morgen sollten die Leitungen eigentlich nicht sehr stark belastet sein, doch gab es vermutlich eine ganze Menge Gespräche zwischen Botwood und Maine.
Eddie war zuversichtlich, daß Luther seine Männer veranlassen würde, Carol-Ann zum Treffpunkt zu bringen. Das wäre ein großer Schritt vorwärts, bedeutete es doch, daß er gleich nach Abschluß der Befreiungsaktion freie Hand hätte und sich nicht länger um seine Frau würde sorgen müssen. Aber was konnte er tatsächlich ausrichten? Es lag natürlich auf der Hand, sofort die Polizei zu benachrichtigen, aber darauf würde Luther höchstwahrscheinlich selbst kommen und vorsorglich die Funkanlage des Clippers zerstören. Danach blieb ihnen nichts anderes übrig, als auf Hilfe zu warten – und bis die kam, waren Gordino und Luther längst an Land, saßen in ihrem Auto und rasten davon. Man würde nicht einmal wissen, in welchem Land sie sich verbargen, in den USA oder in Kanada. Eddie zermarterte sich das Gehirn, wie er der Polizei die Fahndung nach Gordino erleichtern konnte, aber es fiel ihm nichts ein. Schlug er zu früh Alarm, riskierte er, daß die Polizei voreilig hereinplatzte und Carol-Ann in Gefahr brachte, und das war das einzige Risiko, das Eddie nicht einzugehen bereit war. Er fragte sich allmählich, ob er überhaupt etwas erreicht hatte.
Nach einer Weile klingelte das Telefon, und Luther nahm den Hörer ab. »Ich bin‘s«, sagte er. »Wir müssen den Plan ändern. Ihr müßt die Frau mitbringen.« Es entstand eine Pause. Dann sagte er: »Der Ingenieur will es so, sonst spielt er nicht mit, und ich glaube ihm das. Also bringt die Frau mit, okay?« Nach einer weiteren Pause sah er Eddie an und sagte: »Sie wollen mit Ihnen persönlich sprechen.« Eddies Zuversicht schwand. Bislang hatte Luther so getan, als wäre er der Boß, doch inzwischen klang es so, als reichte seine Autorität nicht aus, um Carol-Ann zum Treffpunkt bringen zu lassen.
»Wollen Sie damit sagen, das ist ihr Boß?« fragte er gereizt.
»Ich bin der Boß«, gab Luther peinlich berührt zurück. »Aber ich habe Partner.«
Die Partner waren offenbar von der Idee, Carol-Ann zum Treffpunkt mitzubringen, alles andere als begeistert. Eddie fluchte. Soll ich denen die Chance geben, mich umzustimmen? Was bringt es, wenn ich mit den Kerlen rede? Wahrscheinlich nichts. Vielleicht holen sie Carol-Ann an den Apparat, bringen sie zum Schreien und zwingen mich dazu, klein beizugeben… »Sag ihnen, sie können mich am Arsch lecken«, sagte er. Der Hörer lag auf dem Tisch, und Eddie hoffte, laut genug gesprochen zu haben, um am anderen Ende verstanden zu werden.
Luther wirkte verängstigt. »So können Sie nicht mit diesen Leuten reden!« sagte er mit hoher Stimme.
Eddie fragte sich allmählich, ob er nicht auch Angst haben sollte und die Situation vielleicht von vornherein falsch eingeschätzt hatte. Wovor fürchtete sich Luther,
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