Nacht über den Wassern
wenn er doch selbst zu den Gangstern gehörte? Aber ihm fehlte jetzt die Zeit für eine Neueinschätzung seiner Lage; er mußte sich an seinen Plan halten. »Ich will nur eine Antwort«, sagte er, »ja oder nein. Dafür brauche ich mit diesem Arschloch nicht persönlich sprechen.«
»O mein Gott!« Luther nahm den Hörer wieder auf und sagte: »Er will nicht an den Apparat kommen – ich habe euch ja gesagt, daß er schwierig ist.« Es entstand eine Pause. »Ja, gute Idee. Ich sag‘s ihm.« Er wandte sich an Eddie und hielt ihm den Hörer hin. »Ihre Frau ist dran.«
Eddie wollte schon nach dem Hörer greifen, zog aber im letzten Moment die Hand wieder zurück. Wenn ich mit ihr spreche, bin ich den Gangstern auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, dachte er. Wie gerne hätte er ihre Stimme gehört! Mit aller Willenskraft, zu der er fähig war, schob er die Hände tief in die Taschen und schüttelte stumm den Kopf.
Luther starrte ihn einen Moment lang an und sprach dann wieder in den Hörer: »Er will immer noch nicht reden! Er – mach, daß du wegkommst, du Fotze. Ich will mit…«
Im gleichen Augenblick hatte Eddie ihn am Kragen, und das Telefon polterte zu Boden. Eddie preßte seine Daumen in Luthers feisten Hals. »Halt!« keuchte Luther. »Laß mich los! Laß mich…« Seine Stimme wurde abgewürgt.
Der rote Nebel vor Eddies Augen löste sich auf. Er merkte, daß er drauf und dran war, Luther umzubringen. Er bckerte den Druck ein wenig, ohne jedoch den Mann loszulassen, und brachte dessen Gesicht so nahe an sein eigenes, daß Luther blinzeln mußte. »Hör gut zu«, sagte Eddie. »Für dich heißt meine Frau immer noch Mrs. Deakin.«
»Okay, okay!« stieß Luther heiser hervor. »Laß mich um Himmels willen jetzt los!«
Eddie ließ ihn los.
Luther massierte sich keuchend den Hals und griff nach dem Hörer. »Vincini? Er ist gerade auf mich losgegangen, weil ich sein Frau eine … weil ich sie beschimpft habe. Ich soll sie Mrs. Deakin nennen, sagt er. Kapierst du jetzt, oder muß ich‘s dir erst schriftlich geben? Der ist zu allem fähig!« Es entstand eine Pause. »Ich könnte schon mit ihm fertig werden, aber was sollen die Leute denken, wenn sie uns im Clinch sehen? Dann fliegt doch die ganze Sache auf!« Er schwieg. Dann hörte Eddie ihn sagen: »Gut. Ich sag‘s ihm. Hör zu, wir sind auf dem richtigen Weg, das weiß ich. Bleib dran.« Er wandte sich Eddie zu. »Meine Partner sind einverstanden. Sie wird an Bord sein.« Eddies Gesicht gefror zur Maske. Er wollte unter allen Umständen vermeiden, daß Luther ihm seine ungeheure Erleichterung ansah.
Luther fuhr unruhig fort: »Ich soll Ihnen jedoch ausrichten, daß er ihre Frau abknallt, wenn die Sache einen Pferdefuß hat.«
Eddie riß ihm den Hörer aus der Hand. »Jetzt paß mal auf, Vincini! Erstens: Ich will sie an Deck des Bootes sehen, bevor ich die Türen der Maschine aufmache. Zweitens: Sie muß mit dir an Bord kommen. Drittens: Wenn du ihr auch nur ein Härchen krümmst, bringe ich dich mit bloßen Händen um, Pferdefuß hin, Pferdefuß her. Schreib dir das hinter die Ohren, Vincini.« Bevor der Mann antworten konnte, hatte er aufgelegt.
Luther wirkte bestürzt. »Warum haben Sie das getan?« Er nahm den Hörer ab und drückte die Gabel ein paarmal hinunter. »Hallo? Hallo?« Dann schüttelte er den Kopf und legte auf. »Zu spät.« Halb ärgerlich, halb beeindruckt sah er Eddie an. »Sie leben wohl gerne gefährlich, wie?«
»Gehen Sie, und bezahlen Sie Ihr Gespräch«, gab Eddie zurück.
Luther griff in die Innentasche seines Mantels und zog ein dickes Bündel Banknoten heraus. »Hören Sie zu«, sagte er. »Ihre Wutanfälle helfen niemandem. Ich bin auf Ihre Bedingungen eingegangen, aber jetzt müssen wir zusammenarbeiten, damit die Aktion erfolgreich verläuft – um Ihret- und um meinetwillen. Lassen Sie uns versuchen, miteinander auszukommen, schließlich sind wir jetzt Partner.«
»Halt‘s Maul, du Arschloch«, sagte Eddie und ging hinaus.
Auf dem Weg zurück zum Hafen ballte er die Fäuste in den Taschen. Luthers Bemerkung über ihre »Partnerschaft« hatte ihn an der empfindlichsten Stelle getroffen. Er hatte alles getan, was in seiner Macht stand, um Carol-Ann zu retten, war aber nach wie vor dazu verpflichtet, Hilfe bei der Befreiung Frankie Gordinos, eines Mörders und Vergewaltigers, zu leisten. Die Tatsache, daß man ihn dazu erpreßte, hätte ihn eigentlich entschuldigen sollen und wäre ihm wohl von vielen Menschen auch
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