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Nacht über den Wassern

Titel: Nacht über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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man mit ihnen kaum noch reden können. Vielleicht beschließen sie ja, Gordino und Carol-Ann mitzunehmen.«
    »Und warum, zum Teufel, das?«
    »Um sicherzugehen, daß du eine Zeitlang nicht allzu eifrig mit der Polizei zusammenarbeitest.«
    »Scheiße.« Und außerdem gibt es noch einen weiteren Grund, dachte Eddie: Ich habe diese Kerle angebrüllt und beleidigt. Gut möglich, daß sie sich an mir rächen und mir eine Lektion erteilen wollen.
    Er saß in der Klemme.
    Es blieb ihm nichts mehr anderes übrig, als sich Steves Vorschlag anzuschließen.
    Gott möge mir verzeihen, wenn ich einen Fehler mache, dachte er.
    »In Ordnung«, sagte er. »So wird‘s gemacht.«
    Margaret wachte mit dem Gedanken auf, daß sie es heute ihrem Vater sagen mußte.
    Sie brauchte einen Augenblick, bis sie sich daran erinnerte, was sie ihm zu sagen hatte: daß sie nicht mit ihnen in Connecticut leben würde, sondern die Familie verlassen und sich eine eigene Unterkunft und einen Job suchen wollte.
    Er würde bestimmt einen Tobsuchtsanfall bekommen.
    Wie jedesmal, wenn sie sich gegen Vater zur Wehr setzen wollte, überfiel sie eine Mischung aus Angst und Scham, ein gräßliches, ihr nur allzu vertrautes Gefühl. Ich bin neunzehn Jahre alt, dachte sie, eine Frau. Ich habe eine leidenschaftliche Liebesnacht mit einem wunderbaren Mann hinter mir. Warum nur habe ich immer noch Angst vor meinem Vater?
    Solange sie zurückdenken konnte, war es so gewesen, und sie hatte nie begriffen, warum Vater alles daransetzte, sie in einem goldenen Käfig eingesperrt zu halten. Bei Elizabeth hatte er sich genauso verhalten, nur bei Percy nicht. Es schien fast so, als sähe er in seinen Töchtern zwei nutzlose Luxusartikel – Zierat, sonst nichts. Am schlimmsten hatte er sich immer dann aufgeführt, wenn die beiden Mädchen etwas Praktisches tun wollten – schwimmen lernen zum Beispiel, ein Baumhaus bauen oder Fahrrad fahren. Was sie für Kleidung ausgaben, war ihm gleichgültig; Rechnungen aus einer Buchhandlung dagegen waren zutiefst verpönt.
    Es war nicht allein der Gedanke an eine mögliche Niederlage, die ihr Übelkeit bereitete, sondern die Art und Weise der befürchteten
    Zurechtweisung: sein Ärger und Hohn, die hämischen Seitenhiebe, die rotgesichtige Wut.
    Wie oft hatte sie versucht, sich seiner Macht zu entziehen! Es hatte so gut wie nie geklappt. Ihre Angst, er könne das Kratzen des geretteten Kätzchens auf dem Dachboden hören, sie beim Spiel mit »unpassenden« Kindern aus dem Dorf erwischen oder beim Durchsuchen ihres Zimmers einen Roman von D. H. Lawrence finden, war so entsetzlich, daß alle verbotenen Früchte ihren Reiz verloren.
    Nur mit Hilfe anderer hatte sich Margaret erfolgreich gegen ihren Vater durchsetzen können. Monica hatte sie mit den Freuden der Sexualität bekannt gemacht, und das war eine Erfahrung, die er ihr nie hatte nehmen können. Percy brachte ihr das Schießen bei, Digby, der Chauffeur, das Autofahren. Vielleicht würden Harry Marks und Nancy Lenehan ihr jetzt dabei helfen, flügge zu werden.
    Sie fühlte sich bereits anders. Ihre Glieder schmerzten angenehm wie nach einem Tag harter körperlicher Arbeit im Freien. Sie lag in ihrer Koje und ließ die Hände über ihren Körper gleiten. In den letzten sechs Jahren hatte sie sich für ein unansehnliches Gör mit plumpen Rundungen und häßlichem Haar gehalten. Jetzt auf einmal mochte sie ihren Körper, und Harry war offenbar ganz hingerissen von ihm.
    Von draußen drangen undeutliche Geräusche durch die Vorhänge ihrer Koje. Die Passagiere wachten wahrscheinlich auf. Margaret spähte hinaus. Nicky, der dicke Steward, nahm gerade die gegenüberliegenden Etagenbetten auseinander, in denen Vater und Mutter geschlafen hatten, und baute sie wieder zu Sitzen um. Die Betten von Harry und Mr. Membury waren bereits verschwunden. Harry saß, fix und fertig angekleidet, am Fenster und schaute nachdenklich hinaus.
    Unwillkürlich genierte sie sich und zog den Vorhang, ehe er sie sehen konnte, wieder vor. Komisch, dachte sie: Vor ein paar Stunden waren wir so intim miteinander, wie zwei Menschen nur irgend sein können – und jetzt fühle ich mich irgendwie befangen.
    Sie fragte sich, wo die anderen wohl sein mochten. Percy war bestimmt von Bord gegangen, und Vater, der normalerweise früh aufwachte, vermutlich auch. Mutter war morgens nie besonders unternehmungslustig und befand sich höchstwahrscheinlich im Waschraum. Mr. Membury war nirgends zu sehen.
    Margaret schaute

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