Nacht über den Wassern
blieb, während Margaret noch stand, umarmten sie einander unbeholfen.
»Versprich mir, daß du nicht mit ihm streiten wirst«, sagte Mutter.
Sie klang so traurig, daß Margaret ihr liebend gern den Wunsch erfüllt hätte, aber irgend etwas in ihr hielt sie zurück. »Ich werde es versuchen, Mutter«, sagte sie. »Ich werde es wirklich versuchen.« Mutter ließ sie los, ihr Blick verriet trostlose Resignation. »Ich danke dir, mein Kind«, sagte sie.
Mehr gab es nicht zu sagen.
Margaret ging hinaus.
Harry stand auf, als sie das Abteil betrat. Sie war dermaßen aufgewühlt, daß sie sich über alle Anstandsregeln hinwegsetzte und die Arme um ihn schlang. Nach einer kurzen Schrecksekunde drückte er sie an sich und küßte sie auf das Haar. Sofort fühlte sie sich besser.
Als sie die Augen öffnete, bemerkte sie, daß Mr. Membury, der mittlerweile auf seinen Sitz zurückgekehrt war, sie erstaunt ansah. Es kümmerte sie herzlich wenig; dennoch befreite sie sich aus Harrys Umarmung. Gemeinsam nahmen sie auf der gegenüberliegenden Seite des Abteils Platz.
»Wir müssen uns etwas überlegen«, sagte Harry. »Dies ist vielleicht die letzte Chance, ungestört miteinander zu reden.«
Er hat recht, dachte Margaret. Bald kommt Mutter zurück, und Vater und Percy kommen in Kürze mit den anderen Passagieren wieder an Bord. Dann sind wir nicht mehr unter uns … Bei dem Gedanken, in Port Washington auf Nimmerwiedersehen von Harry Abschied nehmen zu müssen, geriet sie schier in Panik. »Wo kann ich dich erreichen, sag schnell!« stieß sie hervor.
»Ich weiß nicht – ich habe kein bestimmtes Ziel. Aber mach dir keine Sorgen, ich werde mich mit dir in Verbindung setzen. In welchem Hotel werdet ihr absteigen?«
»Im Waldorf Astoria. Rufst du mich heute abend an? Du mußt!«
»Beruhige dich doch, natürlich rufe ich dich an. Ich werde mich Mr. Marks nennen.«
Harrys Ruhe und Gelassenheit machten Margaret bewußt, wie töricht sie sich benahm. Außerdem bist du selbstsüchtig, warf sie sich vor. Du darfst nicht nur an dich denken… »Wo wirst du übernachten?«
»Ich werde mich nach einem billigen Hotel umsehen.«
Da kam ihr plötzlich eine Idee. »Möchtest du zu mir ins Waldorf kommen?«
Er grinste. »Meinst du das im Ernst? Nichts lieber als das, das weißt du doch!«
Sie war froh, ihm eine Freude bereiten zu können. »Normalerweise hätte ich das Zimmer mit meiner Schwester geteilt, aber nun bin ich ja allein.«
»O Mann, ich kann es kaum erwarten.«
Sie wußte, wie sehr er das feine Leben genoß, und wünschte sich nichts mehr, als ihm eine Freude zu machen. »Und dann bestellen wir uns Rühreier und Champagner aufs Zimmer.«
»Dann gehe ich nie wieder fort!«
Das brachte sie auf den Boden der Tatsachen zurück. »In ein paar Tagen werden meine Eltern zu meinem Großvater nach Connecticut ziehen. Dann muß ich eine eigene Bleibe finden.«
»Wir könnten uns ja gemeinsam umsehen«, meinte er. »Vielleicht kriegen wir Zimmer im gleichen Haus oder etwas Ähnliches.« »Meinst du?« fragte sie entzückt. Zimmer im gleichen Haus! Genau das hatte sie sich insgeheim gewünscht, hin und her gerissen zwischen der Befürchtung, Harry könne über die Stränge schlagen und ihr einen Heiratsantrag machen, und der Angst, er wolle sie vielleicht nicht wiedersehen. Aber so war es ideal: Sie war in seiner Nähe und konnte ihn besser kennenlernen, ohne sich sofort festzulegen. Und sie konnte mit ihm schlafen. Aber einen Haken hatte die Sache doch: »Wenn Nancy Lenehan mir einen Job gibt, muß ich nach Boston.«
»Dann gehe ich vielleicht auch nach Boston.«
»Wirklich?« Sie traute ihren Ohren kaum.
»Es ist gehüpft wie gesprungen. Wo liegt das überhaupt?«
»In Neuengland.«
»Ist es dort wie im alten England?«
»Nun ja, ich habe gehört, daß die Menschen dort ziemliche Snobs sind.«
»Also ganz wie zu Hause.«
»Was für Räumlichkeiten wir wohl bekommen werden?« fragte sie aufgeregt. »Ich meine, wie viele Zimmer und so weiter?«
Er lächelte. »Du wirst nur ein Zimmer haben und dich selbst dann noch ganz schön anstrengen müssen, um die Miete zahlen zu können. Wenn das Zimmer seinem britischen Äquivalent halbwegs ähnlich sieht, dann ist es mit billigen Möbeln ausstaffiert und hat nur ein einziges Fenster. Mit ein bißchen Glück verfügt es über eine Elektro- platte, auf der du Kaffee kochen kannst. Das Badezimmer mußt du dir mit den übrigen Mietern teilen.«
»Und die Küche?«
Harry
Weitere Kostenlose Bücher