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Nacht über den Wassern

Titel: Nacht über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Sie würde sich ein Kleid, ein Paar Sandalen und Unterwäsche kaufen, zur nächsten öffentlichen Toilette gehen und sich dort waschen und umziehen. Dann war sie bereit für die Armee.
    Während sie sich ihren Plan durch den Kopf gehen ließ, erklang Tumult vor der Tür, und gleich darauf stürmte eine Schar junger Männer herein. Sie waren gut gekleidet, einige in Abend-, andere in Straßenanzügen. Einen Augenblick später wurde Margaret klar, daß sie einen unfreiwilligen Begleiter mit sich zerrten. Einer der jungen Herren fing an, auf den Sergeanten hinter der Schranke einzubrüllen.
    Der Wachhabende unterbrach ihn. »Schon gut, schon gut, beruhigen Sie sich!« sagte er mit befehlsgewohnter Stimme. »Sie sind hier nicht auf einem Rugbyplatz, sondern auf einem Polizeirevier.« Der Tumult legte sich etwas, aber es war immer noch laut. »Wenn Sie sich nicht anständig aufführen, sperr‘ ich Sie alle in die verdammten Arrestzellen!« brüllte der Sergeant. »Und jetzt, verflucht noch mal, RUHE!«
    Die Männer benahmen sich nun etwas gesitteter und ließen ihren Gefangenen los, der sich aufrichtete und mürrisch vor sich hinstarrte. Der Sergeant deutete auf einen der jungen Herren, einen dunkelhaarigen Burschen von etwa Margarets Alter. »Also gut – Sie! Worum geht es?«
    Der junge Mann deutete auf den Mitgeschleiften und sagte empört: »Dieser Kerl hat meine Schwester in ein Restaurant eingeladen und sich dann aus dem Staub gemacht, ohne zu bezahlen!« Er sprach mit dem Akzent der Oberschicht. Sein Gesicht kam Margaret irgendwie bekannt vor. Sie hoffte, er würde sie nicht erkennen; es wäre zu demütigend, wenn es sich herumspräche, daß ihr die Polizei zu Hilfe hatte kommen müssen, nachdem sie von zu Hause fortgelaufen war.
    Ein jüngerer Herr in gestreiftem Anzug fügte hinzu: »Er heißt Harry Marks und gehört eingesperrt!«
    Margaret betrachtete Harry Marks interessiert. Er war ein auffallend gutaussehender Mann von zwei- oder dreiundzwanzig Jahren mit blondem Haar und ebenmäßigen Zügen. Obwohl er etwas mitgenommen wirkte, trug er seine doppelreihige Smokingjacke mit lässiger Eleganz. Er sah sich abfällig um und sagte: »Diese Burschen sind betrunken.«
    Der Jüngling im gestreiften Anzug platzte heraus: »Vielleicht sind wir betrunken, aber er ist ein Schuft – und ein Dieb. Sehen Sie, was wir in seiner Tasche gefunden haben!« Er warf etwas auf den Tisch. »Diese Manschettenknöpfe wurden etwas früher am Abend Sir Simon Monkford gestohlen.«
    »Also gut«, meinte der Sergeant. »Sie beschuldigen diesen Mann demnach, sich einen materiellen Vorteil durch Täuschung verschafft zu haben – damit ist die nicht bezahlte Restaurantrechnung gemeint- und des Diebstahls. Sonst noch etwas?«
    Der Jüngling im gestreiften Anzug lachte höhnisch und sagte: »Genügt Ihnen das nicht?«
    Der Wachhabende deutete mit seinem Bleistift auf den Burschen. »Vergessen Sie nicht, wo Sie sind, Jungchen. Sie befinden sich hier auf einem Polizeirevier! Auch wenn Sie reiche Eltern haben, gibt Ihnen das kein Recht zu Unverschämtheiten, außer Sie legen es darauf an, sich den Rest der Nacht eine Zelle von innen anzusehen.«
    Der Jüngling machte ein betroffenes Gesicht und schwieg.
    Der Sergeant wandte sich dem anderen Ankläger zu. »Können Sie mir nähere Einzelheiten angeben? Ich brauche den Namen und die Adresse des Restaurants, Name und Adresse Ihrer Schwester sowie Name und Adresse des rechtmäßigen Besitzers dieser Manschettenknöpfe.«
    »Das kann ich Ihnen alles sagen. Das Restaurant …«
    »Gut. Sie bleiben hier!« Er deutete auf den Beschuldigten. »Sie setzen sich!« Er machte eine Geste, die alle anderen jungen Herren einschloß. »Sie können heimgehen.«
    Das brachte ihm verdutzte Blicke ein. Mit einem solchen Ende ihres großen Abenteuers hatten sie nicht gerechnet. Einen Moment lang rührte sich keiner.
    »Los, los! Weg mit euch. Wird‘s bald?« meinte der Sergeant.
    So viel Gefluche wie an diesem einen Tag hatte Margaret noch nie zuvor gehört.
    Die jungen Herren setzten sich brummelnd in Bewegung. Der Jüngling im gestreiften Anzug sagte: »Da führt man einen Dieb der Gerechtigkeit zu und wird behandelt, als wäre man selbst ein Verbrecher!« Aber er war halb aus der Tür, als er den Satz beendete.
    Der Sergeant befragte den dunkelhaarigen jungen Mann und machte sich Notizen. Harry Marks blieb noch einen Augenblick neben ihm stehen, dann drehte er sich ungeduldig um. Er entdeckte Margaret, schenkte

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