Nacht über den Wassern
Mann, der mich interessiert, ganz bestimmt.«
Er rutschte vor und nahm ihre Hand. »Wirklich?«
»Ja, sicher. Ich habe mich, glaube ich, sehr dumm benommen.«
Er streichelte ihr den Handrücken. »Weißt du…« Er sah ihr in die Augen, und sie stellte überrascht fest, daß er den Tränen nahe war. »Weißt du, ich habe schreckliche Angst davor, daß du mich verlassen könntest.«
Das hatte sie nicht erwartet. Sie war völlig verblüfft. Daß er fürchten könnte, sie zu verlieren, war ihr nie in den Sinn gekommen.
Er fuhr fort: »Du bist so wundervoll und so begehrenswert, daß du jeden Mann haben könntest, und es fällt mir schwer zu glauben, daß du ausgerechnet mich willst. Ich habe Angst, daß du deinen Fehler einsiehst und dich anders entscheidest.«
Sie war gerührt. »Du bist der liebenswerteste Mann der Welt, deswegen habe ich mich in dich verliebt.«
»Und Mervyn ist dir wirklich gleichgültig?«
Sie zögerte nur kurz, aber das genügte schon. Marks Miene änderte sich schlagartig. Verbittert stieß er hervor: »Du empfindest doch noch etwas für ihn!«
Wie sollte sie ihm das erklären? Sie liebte Mervyn nicht mehr, aber er übte noch immer eine gewisse Macht über sie aus. »Es ist nicht so, wie du denkst«, sagte sie verzweifelt.
Mark zog seine Hand zurück. »Dann klär mich darüber auf. Sag mir, was es ist.«
In diesem Augenblick betrat Mervyn das Abteil.
Er schaute sich um, erblickte Diana und sagte: »Da bist du ja.«
Sie wurde sofort nervös. Was will er? dachte sie. Ist er wütend? Hoffentlich macht er uns keine Szene…
Mark, dessen Gesicht bleich und angespannt wirkte, holte tief Luft und sagte: »Hören Sie, Loyesey – wir wollen doch keinen weiteren Streit. Es ist besser, wenn Sie gehen.«
Mervyn ignorierte ihn und wandte sich an Diana. »Wir müssen miteinander reden.«
Sie musterte ihn argwöhnisch. Das, was er unter einem »Gespräch« verstand, war oft völlig einseitig und artete bisweilen in regelrechte Strafpredigten aus. Allerdings machte Mervyn im Augenblick keinen aggressiven Eindruck, sondern bemühte sich um einen eher neutralen Gesichtsausdruck. Sie hatte das Gefühl, daß er verlegen war, und das machte sie neugierig. »Ich will keinen Ärger«, sagte sie vorsichtig.
»Keinen Ärger, das verspreche ich dir.«
»Na gut.«
Mervyn setzte sich neben sie, sah Mark an und sagte: »Würde es Ihnen etwas ausmachen, uns ein paar Minuten lang allein zu lassen?«
»Ich denke nicht daran!« protestierte Mark lauthals.
Die beiden Männer sahen Diana an: Die Entscheidung lag bei ihr. Alles in allem wäre sie lieber mit Mervyn allein gewesen, aber sie wußte, daß sie Mark damit verletzen würde. Sie zögerte und mochte weder für die eine noch für die andere Seite Partei ergreifen. Schließlich dachte sie: Ich habe Mervyn verlassen und bin mit Mark zusammen. Ich sollte mich auf seine Seite stellen. Und sie sagte mit klopfendem Herzen: »Erzähl mir, was du von mir willst, Mervyn. Aber wenn du es nicht im Beisein von Mark sagen kannst, dann will ich es nicht hören.«
Mervyn war sichtlich schockiert. »Schon gut, schon gut«, sagte er erregt, riß sich aber sofort wieder zusammen und beruhigte sich. »Ich habe über ein paar Sachen nachgedacht, die du mir vorgeworfen hast. Daß ich dir gegenüber gefühlskalt geworden sein soll. Und wie unglücklich du warst.«
Er hielt inne. Diana schwieg. Das sah Mervyn überhaupt nicht ähnlich. Worauf wollte er hinaus?
»Ich wollte dir sagen, daß es mir wirklich leid tut.«
Sie traute ihren Ohren nicht. Er meinte es ernst, das war unverkennbar. Was hatte ihn zu dieser Sinnesänderung veranlaßt?
»Ich wollte dich glücklich machen«, fuhr er fort. »Das war alles, was ich zu Beginn unserer Beziehung wollte. Du solltest dich nie elend fühlen. Es ist schlichtweg falsch, daß ich dich unglücklich machen wollte. Du verdienst es, glücklich zu sein, weil du andere Leute beglückst. Sobald du ins Zimmer kommst, fangen die Leute an zu lächeln.«
Die Tränen schossen ihr in die Augen. Sie wußte, daß es stimmte: Die Leute liebten es, sie anzuschauen.
»Es ist eine Sünde, dich traurig zu machen«, sagte Mervyn. »Ich werde es nie wieder tun.«
Will er etwa Besserung geloben? fragte sie sich und bekam es mit der Angst zu tun. Wird er mich anflehen, zu ihm zurückzukommen? Sie mußte dieser Frage vorbeugen: »Ich kehre nicht zu dir zurück«, erklärte sie nervös.
Er überhörte den Satz und fragte: »Macht Mark dich
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