Nacht über den Wassern
nicht gelungen, sie zu einer Änderung ihrer Pläne zu bewegen. Es war gut möglich, daß er weiter versuchen würde, sie umzustimmen. Margaret blickte über Harrys Schulter. Vater starrte aus dem Fenster; in seinem Blick lag ein heimtückischer Zug. Elizabeth hatte ihm getrotzt, aber er hatte sie verstoßen, und vielleicht würde sie ihre Familie nie wiedersehen.
Seine Rache wird furchtbar sein, dachte Margaret. Was heckt er nur gegen mich aus?
Wahre Liebe währt nicht lange, dachte Diana Lovesey betrübt. Als Mervyn sich in sie verliebte, hatte er ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen, je ausgefallener, desto besser. Mir nichts, dir nichts war er bereit, für eine Stange Pfefferminz nach Blackpool zu fahren, sich einen Nachmittag freizunehmen und ins Kino zu gehen oder alles stehen- und liegenzulassen, um mit ihr nach Paris zu fliegen. Frohgemut suchte er mit ihr jedes einzelne Geschäft in Manchester auf, um einen Kaschmirschal in der richtigen blaugrünen Schattierung zu finden, verließ ein Konzert vor Ende der Vorstellung, weil Diana sich langweilte oder stand um fünf Uhr morgens auf, um in einem Arbeitercafe zu frühstücken. Doch diese Einstellung hatte ihre Hochzeit nicht lange überdauert, und obwohl er ihr selten etwas vorenthielt, fand er schon bald keinen Gefallen mehr daran, auf ihre Marotten einzugehen. Entzücken hatte sich zunächst in Toleranz, dann in Ungeduld und in letzter Zeit manchmal sogar in Verachtung verwandelt.
Doch nun grübelte Diana darüber nach, ob ihre Beziehung zu Mark vielleicht den gleichen Verlauf nehmen könnte.
Den ganzen Sommer über war er ihr sklavisch ergeben gewesen, aber kaum waren sie zusammen durchgebrannt, als es auch schon zum ersten Streit kam. In der zweiten Nacht ihrer Flucht waren sie so wütend aufeinander gewesen, daß sie sogar getrennt geschlafen hatten! Mitten in der Nacht, als der Sturm losbrach und die Maschine wie ein ungebärdiges Pferd gebockt hatte, hätte Diana vor lauter Angst beinahe all ihren Stolz vergessen und wäre am liebsten zu Mark in die Koje gekrochen. Aber sie war sich einfach zu gut für eine derartige Erniedrigung und hatte sich folglich in der festen Überzeugung, bald sterben zu müssen, nicht von der Stelle gerührt. Sie hatte gehofft, Mark würde zu ihr kommen, aber er war genauso stur wie sie, und das hatte ihren eigenen Zorn nur noch verstärkt.
Am Morgen hatten sie noch kaum ein Wort miteinander gewechselt. Diana war aufgewacht, als die Maschine in Botwood landete. Als sie aufstand, war Mark bereits von Bord gegangen. Nun saßen sie in Abteil vier auf den Sitzen neben dem Mittelgang einander gegenüber und taten so, als frühstückten sie. Diana schob lustlos ein paar Erdbeeren auf ihrem Teller herum, und Mark zerpflückte ein Brötchen, ohne davon zu essen.
Diana wußte selbst nicht, warum es sie so wütend gemacht hatte, als sie erfuhr, daß Mervyn die Honeymoon Suite mit Nancy Lenehan teilte. Wie dem auch sein mochte – sie war davon ausgegangen, daß Mark für sie Verständnis haben und ihr Rückendeckung geben müßte. Statt dessen hatte er die Berechtigung ihrer Gefühle in Frage gestellt und behauptet, daß sie Mervyn wohl noch immer liebte. Wie konnte er so etwas sagen, da sie doch alles aufgegeben hatte, um mit ihm davonzulaufen!
Sie sah sich um. Rechts von ihr saßen Prinzessin Lavinia und Lulu Bell, die beide wegen des Sturms kein Auge zugetan hatten. Sie wirkten sehr erschöpft und unterhielten sich nur sporadisch. Zu ihrer Linken, auf der anderen Seite des Gangs, frühstückten Ollis Field vom FBI und sein Gefangener, Frankie Gordino, dessen Fußknöchel mit Handschellen an den Sitz gekettet war. Die beiden sprachen kein Wort miteinander. Alle Passagiere machten einen müden und ziemlich mürrischen Eindruck. Es war eine lange Nacht gewesen.
Davy, der Steward, kam zurück und räumte die Frühstücksteller ab. Prinzessin Lavinia beschwerte sich: Die pochierten Eier seien zu weich und die Speckscheiben zu kross gewesen. Davy fragte, ob er noch Kaffee nachschenken dürfe, aber Diana lehnte dankend ab.
Sie erhaschte einen Blick von Mark und versuchte es mit einem Lächeln. Er starrte sie nur wütend an. »Du hast den ganzen Morgen noch keinen Ton zu mir gesagt«, sagte sie.
»Weil du dich offenbar mehr für Mervyn als für mich interessierst!« gab er zurück.
Plötzlich ging ihr auf, daß seine Eifersucht vielleicht sogar berechtigt war. »Es tut mir leid«, meinte sie zerknirscht. »Du bist der einzige
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