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Nacht über den Wassern

Titel: Nacht über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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schloß sich wieder.
    War der Mann hinausgegangen? Harry lauschte angestrengt. Er konnte den Atem des anderen nicht länger hören. Langsam rappelte er sich auf und spähte hinaus: Der Mann war verschwunden.
    Harry stieß einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus.
    Aber was ging hier vor?
    Er wurde den Verdacht nicht los, daß die schweren Fußtritte und der keuchende Atem einem Polizisten gehört hatten, vielleicht auch einem Zöllner. Wahrscheinlich war es nur eine Routinekontrolle gewesen.
    Er trat zur Tür und öffnete sie einen Spaltbreit. Vom Flugdeck her drang das gedämpfte Gemurmel mehrerer Stimmen, doch hinter der Tür schien niemand zu stehen. Harry ging hinaus und schlich sich neben die Tür zum Flugdeck. Sie stand offen. Er hörte die Stimmen zweier Männer.
    »An Bord ist der Kerl nicht.«
    »Er muß aber hiersein. Ausgestiegen ist er jedenfalls nicht.«
    Der Akzent klang gedämpft amerikanisch, es mußte sich also um Kanadier handeln. Aber über wen redeten sie nur?
    »Vielleicht hat er sich ja nach den anderen von Bord geschlichen.«
    »Und wo ist er dann? Weit und breit keine Spur.«
    Ob Frankie Gordino getürmt ist? fragte sich Harry.
    »Um wen handelt es sich überhaupt?«
    »Es heißt, er soll ein Komplize von diesem Gauner sein, den sie an Bord haben.«
    Gordino selbst war also nicht entwichen, aber einer seiner Spießgesellen war im Flugzeug gewesen. Man war ihm auf die Spur gekommen, und er hatte sich aus dem Staub gemacht. Wer von den ehrenwerten Passagieren es wohl gewesen sein mochte?
    »Ist doch kein Verbrechen, mit jemandem befreundet zu sein, oder etwa doch?«
    »Das nicht, aber er reist mit gefälschten Papieren.«
    Harry lief es kalt den Rücken herunter. Er reiste ebenfalls mit einem gefälschten Paß. Aber ihn suchten sie doch sicher nicht?
    »Tja, und was machen wir jetzt?« hörte er.
    »Sergeant Morris Bericht erstatten.«
    Ein paar Sekunden später überkam Harry langsam der schreckliche Gedanke, er selbst könne derjenige sein, nach dem gefahndet wurde. Wenn die Polizei davon Wind bekommen hatte, daß jemand an Bord versuchen wollte, Gordino herauszuhauen, dann hatte sie sich bestimmt die Passagierliste vorgenommen und sehr schnell entdeckt, daß Harry Vandenposts Paß vor zwei Jahren in London als gestohlen gemeldet worden war. Und dann brauchten sie nur bei Vandenpost anzurufen, um festzustellen, daß er sich keineswegs an Bord des Pan-American-Clippers befand, sondern in der Küche saß, Cornflakes löffelte und die Morgenzeitung las, oder was immer. Und da er, Harry, bei der Polizei als Betrüger bekannt war, lag natürlich der Schluß nahe, ihn für einen der Komplizen Gordinos zu halten.
    Nein, sagte er sich, nur keine voreiligen Schlüsse ziehen! Vielleicht gibt es noch eine andere Erklärung.
    Eine dritte Stimme mischte sich in die Unterhaltung ein. »Wen suchen Sie denn?« Das klang wie Mickey Finn, der Zweite Ingenieur.
    »Einen Kerl namens Harry Vandenpost. Ist aber nicht sein richtiger Name.«
    Damit war die Sache klar. Harry fühlte sich wie betäubt: Man war ihm auf die Schliche gekommen! Die Vision vom Landsitz mit Tennisplatz verblaßte wie eine vergilbte Fotografie. Statt dessen sah er sich im verdunkelten London vor Gericht, sah eine Gefängnis zelle und schließlich eine Kaserne. So viel Pech auf einmal hatte er noch nie gehabt.
    Der Ingenieur sagte: »In Botwood schnüffelte er hier herum. Ich habe ihn zufällig dabei erwischt.«
    »Tja, jetzt ist er nicht hier.«
    »Sind Sie sicher?«
    Halt den Mund, Mickey, dachte Harry.
    »Wir haben uns überall umgesehen.«
    »Haben Sie auch bei den Mechanikerposten nachgeschaut?«
    »Wo sind die denn?«
    »In den Flügeln.«
    »Jawohl, in die Flügel haben wir auch geschaut.«
    »Aber sind Sie hineingekrochen? Es gibt dort Verstecke, die man hier von der Kabine aus unmöglich einsehen kann.«
    »Wir schauen besser noch einmal genauer nach.«
    Diese beiden Polizisten schienen rechte Einfaltspinsel zu sein, dachte Harry und bezweifelte, daß ihr Sergeant großes Vertrauen in sie setzte. Wenn er auch nur ein Fünkchen Verstand hatte, würde er die Maschine noch einmal durchsuchen lassen. Und beim nächstenmal würden sie bestimmt hinter dem Schrankkoffer nachschauen. Wo konnte er sich also verstecken?
    Es gab etliche kleine Verstecke, aber die waren der Besatzung alle bekannt. Eine gründliche Durchsuchung würde vor dem Raum im Bug, den Toiletten, den Flügeln und der niedrigen Aussparung im Heck nicht haltmachen. Und alle

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