Nacht über den Wassern
Bootsführer stand an Deck und brüllte ihm etwas zu. Er war gottlob unbewaffnet. Der Mann packte das andere Tau und zog daran, worauf es sich aus dem Bug löste und ins Wasser klatschte.
Der Bootsführer verschwand im Ruderhaus und warf den Motor an.
Jetzt wurde die Situation brenzlig.
Die Gangster würden nicht lange brauchen, um ebenso verblüfft wie aufs höchste beunruhigt festzustellen, daß ihr Boot davontrieb. Einer von ihnen würde erscheinen, um die Sache in Augenschein zu nehmen und das Boot wieder zu vertäuen. Und dann…
Harry hatte viel zuviel Angst, um sich darüber Gedanken machen zu können, was der Gangster dann tun würde.
Er hastete die Leiter hinauf, rannte über das Flugdeck und verbarg sich wieder im Frachtraum.
Er wußte ganz genau, daß es lebensgefährlich war, Gangstern dieses Schlages einen Streich spielen zu wollen. Bei dem Gedanken, was sie mit ihm anstellen würden, falls sie ihn erwischten, lief ihm ein kalter Schauder über den Rücken.
Eine endlose Minute lang rührte sich gar nichts. Nun macht schon, dachte er. Nun beeilt euch doch und schaut schon aus dem Fenster! Euer Boot treibt davon – nun bemerkt es doch endlich, bevor ich hier die Nerven verliere!
Endlich hörte er wieder Schritte, schwere, eilige Schritte auf der Treppe und dann auf dem Flugdeck. Zu seinem Mißbehagen klang es so, als handele es sich um zwei Leute. Er hatte nicht damit gerechnet, es mit zwei Gegnern zu tun zu bekommen.
Sobald er einigermaßen sicher sein konnte, daß sie in den Bug hinuntergeklettert waren, spähte er hinaus. Die Luft war rein. Er durchquerte die Kabine und schaute durch die Luke. Zwei Männer mit schußbereiten Pistolen starrten von der Tür aus ins Freie. Selbst ohne die Waffen hätte Harry sie an ihrer protzigen Kleidung sofort als Gauner erkannt. Der eine war ein kleiner, häßlicher Knirps mit ekelhaften Zügen, der andere noch sehr jung, etwa achtzehn Jahre alt.
Am besten verschwinde ich hier wieder und versteck‘ mich, dachte Harry.
Der Bootsführer manövrierte das Schnellboot mit dem daran vertäuten Wasserflugzeug näher an den Clipper heran. Es oblag nun den beiden Gangstern, das Boot wieder zu vertäuen. Mit Pistolen in der Hand war das unmöglich, und genau darauf spekulierte Harry.
Der Bootsführer rief den beiden etwas zu, was Harry nicht verstehen konnte. Kurz darauf steckten die Banditen die Waffen in ihre Taschen und traten auf die Plattform hinaus.
Harry schlich die Treppe in den Bug hinunter. Das Herz klopfte ihm bis zum Hals.
Die Männer versuchten gerade, das Tauende zu fangen, das der Bootsführer ihnen zuwarf, und da ihre ganze Aufmerksamkeit darauf gerichtet war, bemerkten sie ihn nicht.
Vorsichtig durchquerte er den Bug.
Er hatte gerade die Hälfte des Weges zurückgelegt, als es dem jungen Kerl endlich gelang, das Tau zu erwischen. Der andere, kleinere, drehte sich halb um – und erblickte Harry. Er griff mit der Hand in die Tasche und zog seine Pistole genau in dem Moment, als Harry ihn erreichte.
Das ist das Ende, dachte Harry. Jetzt muß ich sterben.
Völlig verzweifelt und ohne weiter über sein Tun nachzudenken, hechtete er vor, packte den Kleinen am Knöchel und wuchtete ihn nach oben.
Ein Schuß fiel, aber Harry spürte nichts.
Der Mann stolperte, fiel beinahe hin, ließ die Waffe fallen und griff nach seinem Kumpan, um sich an ihm festzuhalten.
Der Jüngere verlor das Gleichgewicht und ließ das Tau los. Einen Moment lang schwankten sie beide und hielten sich aneinander fest. Harry umklammerte immer noch den Knöchel des Kleinen und riß noch einmal dessen Fuß hoch.
Die beiden stürzten von der Plattform in die bewegte See. Harry stieß einen Triumphschrei aus.
Sie gingen unter, kamen wieder an die Oberfläche und ruderten wild um sich. Harry erkannte, daß keiner der beiden schwimmen konnte.
»Das ist die Quittung für Clive Membury, ihr Schweine!« brüllte
er.
Harry verfolgte nicht länger, was mit den beiden Gangstern geschah. Er mußte jetzt wissen, was auf dem Passagierdeck vor sich ging. Er rannte durch den Bug, hastete die Treppe hinauf, gelangte aufs Flugdeck und schlich auf Zehenspitzen die Treppe hinunter.
Auf der untersten Stufe blieb er stehen und lauschte.
Margaret konnte ihren eigenen Herzschlag hören.
Er klang wie eine rhythmische, hartnäckige Kesseltrommel in ihren Ohren und war so laut, daß sie sich einbildete, alle anderen müßten es ebenfalls hören.
Nie zuvor in ihrem Leben hatte sie solche Angst
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