Nacht über den Wassern
er mußte tun, was die Kidnapper wollten, dann würde er sie zurückbekommen. Niemand konnte ihm aus der Klemme helfen, in der er sich befand.
Mit schwerem Herzen erinnerte er sich an den Streit, bevor er sie verlassen hatte. Das würde er sich nie verzeihen. Er wünschte sich aus tiefster Seele, daß er den Mund gehalten hätte. Worüber, zum Teufel, hatten sie überhaupt gestritten? Er schwor sich, nie wieder mit ihr zu streiten, wenn er sie nur heil zurückbekam.
Warum läutete das gottverdammte Telefon bloß nicht?
Nach flüchtigem Anklopfen kam Mickey zu ihm herein, er trug Fluguniform und hielt seinen Koffer in der Hand. »Fertig?« fragte er vergnügt.
»Es kann doch noch nicht so spät sein!« rief Eddie erschrocken.
»Und ob!«
»Scheiße!«
»Was ist los mit dir? Gefällt‘s dir hier so gut? Möchtest du dableiben und gegen die Deutschen kämpfen?«
Eddie mußte Steve noch ein paar Minuten geben. »Geh einstweilen voraus«, sagte er zu Mickey. »Ich komme gleich.«
Mickey wirkte ein wenig gekränkt, weil Eddie nicht mit ihm gehen wollte. »Dann eben bis nachher«, sagte er schulterzuckend und verschwand.
Wo zum Teufel war Steve Appleby?
Die nächsten fünfzehn Minuten saß Eddie reglos da und starrte gegen die Tapete.
Schließlich griff er nach seinem Koffer und stieg schleppend die Stufen hinunter, dabei sah er das Telefon beschwörend an. Am Empfang blieb er stehen und wartete, ob es nicht vielleicht doch noch läuten würde.
Captain Baker kam die Treppe herunter und blickte Eddie überrascht an. »Sie sind spät dran«, stellte er fest. »Ich nehme Sie im Taxi mit.« Dem Flugkapitän stand ein Taxi zum Hangar zu.
»Ich warte auf einen Anruf«, erklärte Eddie.
Der Captain runzelte die Stirn. »Länger können Sie jedenfalls nicht mehr warten. Kommen Sie!«
Eddie rührte sich einen Augenblick nicht. Dann wurde ihm klar, wie dumm das war. Steve würde nicht anrufen, und er mußte im Flugzeug sein, wenn er überhaupt eine Chance haben wollte. Er zwang sich, seinen Koffer wieder zu nehmen, und trat zur Tür hinaus.
Das Taxi wartete bereits, und sie stiegen ein.
Eddie wurde bewußt, daß er sich fast der Insubordination schuldig gemacht hatte. Er wollte Baker nicht beleidigen, der Captain war ein anständiger Mann und hatte Eddie immer gut behandelt. »Verzeihen Sie«, bat er. »Ich habe einen Anruf aus den Staaten erwartet.«
Der Captain lächelte verständnisvoll. »Morgen sind Sie ja dort!« tröstete er ihn.
»Ja«, bestätigte Eddie mit finsterer Miene.
Er war auf sich selbst gestellt.
2. Kapitel
D er Zug nach Southampton ratterte durch die Nadelwälder von Surrey, als Elizabeth Oxenford ihrer Schwester Margaret eine schockierende Eröffnung machte.
Die Familie Oxenford reiste in einem Sonderwagen, der für Passagiere des Pan-American-Clippers reserviert war. Margaret stand allein am Ende des Wagens und starrte aus dem Fenster. Ihre Gefühle schwankten zwischen tiefster Verzweiflung und wachsender Aufregung. Sie war zornig und fühlte sich elend, daß sie ihr Vaterland in der Stunde der Not verlassen mußte, andererseits ließ sich die wundervolle Erregung nicht unterdrücken, die allein der Gedanke an den Flug nach Amerika mit sich brachte.
In diesem Moment kam Elizabeth auf sie zu und stellte sich mit ernster Miene neben sie. Nach kurzem Zögern sagte sie: »Ich habe dich lieb, Margaret.«
Margaret war gerührt. Während der vergangenen Jahre, seit sie alt genug waren, den Kampf der Ideologien zu verstehen, der in der ganzen Welt tobte, hatten sie mit aller Heftigkeit entgegengesetzte Ansichten vertreten und sich dadurch entfremdet. Trotzdem hatte Margaret stets das vertraute Verhältnis zu ihrer Schwester vermißt, und die Entfremdung hatte sie bedrückt. Wie schön wäre es, wenn sie wieder zu der alten Verbundenheit zurückfinden könnten. »Ich habe dich auch lieb«, versicherte sie ihrer Schwester in einer plötzlichen Gefühlsaufwallung und nahm sie fest in die Arme.
Nach einem Augenblick des Schweigens erklärte Elizabeth: »Ich komme nicht mit nach Amerika.«
Margaret schnappte nach Luft. »Was sagst du da?«
»Ich werde Mutter und Vater ganz einfach sagen, daß ich nicht mitkomme. Ich bin einundzwanzig – sie können mich nicht zwingen.«
Margaret war sich da nicht so sicher, aber im Moment hatte sie viel zu viele andere Fragen, als daß sie darüber diskutiert hätte: »Wo willst du denn hin?«
»Ich gehe nach Deutschland.«
»Elizabeth!« rief Margaret
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